Kommentar Hilfen für Griechenland: Troika? Bitte verschwinden!

Ob die Troika prüft oder nicht, Griechenland ist pleite. Ein Schuldenmoratorium würde das nicht ändern, aber ein Ende der Demütigung einleiten.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sucht nach einer Lösung für die Schuldenkrise. Bild: reuters

Was für eine Zeitverschwendung: Die Euro-Finanzminister treffen sich fast jede Woche, um über Griechenland zu beraten – und auch die Troika ist wieder in Athen, um die Bücher zu prüfen. Seit fünf Jahren wird Griechenland minutiös kontrolliert, aber gebracht hat dieser Aufwand nichts. Griechenland ist weiterhin pleite und steckt in einer Rezession fest.

Nur der Nationalismus hat allseits zugenommen. Viele Griechen empfinden die Troika als „Besatzer“ und haben das Gefühl, dass allein das Ausland an ihrer Misere schuld ist. Diese Wahrnehmung ist zwar falsch, denn die meisten Ursachen sind in Griechenland zu finden. Aber Argumente zählen nicht mehr. Die Griechen sind in ihrem Stolz verletzt. Auch sinnvolle Reformen werden blockiert, weil sie vom Ausland oktroyiert werden.

In Deutschland ist es nicht besser, der Nationalismus äußert sich nur anders. Hier herrscht bräsige Selbstgerechtigkeit, die Finanzminister Schäuble gern bedient. Man will die Griechen wie Kinder „erziehen“. Doch Völker lassen sich nicht erziehen – schon weil sie keine deutschen Zeitungen lesen. Die Adressaten der deutschen Besserwisser sind die anderen Besserwisser in Deutschland.

Die Eurokrise ist keine reine Wirtschaftskrise mehr – sie hat die Kommunikation zerstört. Die Troika wird nichts bewirken, egal wie lange sie die Zahlen durchkämmt. Selbst wenn Premier Tsipras die Vorgaben in Gesetze gießen sollte, würden sie in der Praxis ignoriert. Solange das griechische Volk das Gefühl hat, dass die Troika befiehlt, wird unten torpediert, was von oben kommt.

Finanzierung im Teufelskreis

Eine Lösung kann es erst geben, wenn diese unterschiedlichen Wahrnehmungen ernst genommen werden. Dazu gehört: Da die Troika nichts bringt, sollte man sie auflösen. Die Beamten hätten in ihren „Institutionen“ bestimmt Besseres zu tun, als sinnlos in Athen herumzusitzen.

Gleichzeitig sollte sich die Eurozone eingestehen, dass Griechenland seine Schulden nicht bedienen kann. Es erniedrigt die Griechen, dass immerzu über kleine Milliardentranchen gefeilscht wird, die nur einen Kreisverkehr finanzieren: Es werden neue Kredite gewährt, damit die Griechen ihre alten Schulden tilgen. Dieses Nullsummenspiel bringt nichts, sondern befeuert nur den allseitigen Nationalismus.

Obwohl viele Deutsche es nicht glauben wollen: Griechenland ist wirklich pleite. Es hat mehr als ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt, viele Familien haben keinerlei Einkommen. Denn die Arbeitslosenversicherung zahlt nur für ein Jahr, und danach gibt es keine Sozialhilfe.

Von den Armen ist nichts mehr herauszupressen – und von den „Reichen“ auch nicht. Natürlich wäre es gerecht und wünschenswert, wenn die Vermögenden in Griechenland Steuern zahlen würden, doch der Gesamteffekt wäre verschwindend: Der reichste Grieche, Spiro Latsis, besitzt geschätzte 5,3 Milliarden Euro. Die griechischen Staatsschulden liegen hingegen bei knapp 320 Milliarden. Da hilft auch ein Latsis nicht.

Status quo, aber ohne Demütigung

Da Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlen kann, würde es die Eurozone nichts kosten, sich großzügig zu zeigen – und ein Schuldenmoratorium anzubieten. Eine Variante wäre, dass die Griechen erst dann einen Teil der Zinsen aufbringen müssen, wenn ihre Wirtschaft wieder wächst. Bis dahin würden sie in Ruhe gelassen.

Die Botschaft wäre also: „Macht einfach, was ihr wollt!“ Man darf sich diesen Zustand nicht rosig vorstellen. Die Griechen würden keine neuen Kredite bekommen – weder von der Eurozone noch von internationalen Finanzinvestoren, die noch immer mit der Pleite des Landes rechnen. Aber die Griechen müssten die alten Schulden nicht mehr bedienen. Der Staat würde mit den Steuern wirtschaften, die seine Bürger abführen.

Am ökonomischen Status quo würde sich also nicht viel ändern, aber es wäre psychologisch befreiend. Die Griechen wären wieder selbstbestimmt. Bisher zahlen viele Griechen auch deswegen ungern Steuern, weil sie irrtümlich glauben, das Geld würde ins Ausland fließen. Sie sehen nicht das wahre Problem: Solange Steuern hinterzogen werden, ist es nicht möglich, für jeden Griechen eine medizinische Versorgung zu finanzieren. Die Griechen müssen zu ihrer eigenen Troika werden. Doch dies gelingt nur, wenn die Troika abzieht.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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