Olympiadebatte, Teil 1: Turnen in schimmeliger Halle

Der Breiten- und Schulsport in Deutschland braucht einen Schub. Aber kann Olympia, ein kommerzialisiertes Event, so ein Impulsgeber sein?

Kann man beinahe riechen: müffelnde Sportschuhe in abgewrackten Turnhallen Bild: AndreasF./photocase.de

Wäre es nicht wunderbar, wenn Sport in Deutschland endlich mal wieder etwas mehr in den Fokus rücken würde? Mal wieder mehr als nur Fußball, Formel 1 und was das Fernsehen sonst noch werbeträchtig sendet. Sport als gesamtgesellschaftliches Ereignis. 1972 hat Deutschland es geschafft, mit den Spielen in München zu zeigen, dass den Deutschen eine Transformation zu einer weltoffenen und modernen Gesellschaft gelungen ist. Die alten Spiele von Berlin 1936 waren überwunden.

Angesichts der beklemmenden Phänomene, die durch deutsche Straßen pilgern, täte der Geist von Olympischen Spielen im Sinne der Freundschaft, Toleranz und Verständigung unserer Gesellschaft vielleicht gut. Die Debatte um Olympische Spiele in Deutschland ist auch immer eng mit der Frage nach dem Nutzen für den deutschen Sport insgesamt verbunden. Die Spiele sollen als Motor der Innovation für den Sport dienen. Sei es die Sanierung von Sportstätten bis hin zu Kinderturnen. Alle, also wirklich alle sollen davon profitieren.

Schulsport nicht mehr nur als störendes Umziehen in stinkigen Umkleiden zu sehen, um sich dann die verbleibenden 40 Minuten in Vierziger-Gruppenstärke an fünf Turnmatten anzustellen mit einem Lehrkörper, der das Chaos zu beherrschen versucht, das wäre schon mal etwas. Jedes zweite Kind kann in Deutschland nicht mehr richtig schwimmen. In NRW wurde die Rolle vorwärts gerade aus dem Lehrplan genommen, da das Verletzungsrisiko für die Halswirbelsäule zu hoch sei. Bäder werden geschlossen, Sportstätten vergammeln. Das alles sollen Olympische Spiele in Berlin oder Hamburg ändern. Können sie das überhaupt? Wollen das die Verantwortlichen überhaupt, ist die bessere Frage.

Seit Jahren sind die Probleme bekannt. Seit Jahren werden sie ignoriert oder kleingeredet. Sport wird in unserer Republik oft nur als Zeit- und Kostenfaktor gesehen. Als eine Art Luxus zwischen Effizienz und Effektivität. Oder als öde Reproduktion des ohnehin in der Gesellschaft viel zu präsenten Leistungsgedanken. Es gibt eine klassische linke Sichtweise, die den Sport ablehnt, weil da ja nur der Leistungs- und Wettbewerbsgedanke vorherrsche.

Sport als Schlüssel für gesellschaftliche Probleme

Kommen wir doch mal alle auf den Teppich und schauen wir uns an, was Sport alles bewegen kann. Nichts verbindet so viele Lebensbereiche wie Sport. Er kann ein Schlüssel sein, um Probleme unserer Gesellschaft anzugehen. Es gibt mittlerweile haufenweise seriöse Studien, die sich mit der geistigen Entwicklung von Kindern befassen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass körperliche Betätigung und die damit verbundenen kognitiven Anforderungen, die an die Kinder gestellt werden, die geistige Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen. Sport und das Vereinsleben sind für Kinder und Jugendliche ein Bereich, in dem sie soziale Kompetenzen vermittelt bekommen sollen und im besten Falle auch anzuwenden lernen.

Dazu benötigen wir nicht zuletzt gute Trainer und Trainerinnen. Seit den Spielen 1992 höre und lese ich von der Traineroffensive des deutschen Sports. Ich frage mich langsam: Wann kommt die endlich bei uns an? Viele meiner Trainerkollegen im Sport berichten über Arbeitsbedingungen, die definitiv als prekär zu bezeichnen sind. Wer möchte es da Kollegen verdenken, die Angeboten aus dem Ausland den Vorzug geben oder sich gleich komplett in andere Arbeitsbereiche verabschieden?

Ein weiteres Stichwort wäre dann noch Gesundheit. Unser Gesundheitssystem ächzt unter immensen Kosten der sogenannten Zivilisationskrankheiten. Sport, sei es in der Schule oder in Vereinen, kann einen Teil dazu beitragen, Kindern ein besseres Verständnis von gesunder Ernährung, einem realistischen Körperbild und Training zu vermitteln.

Um all die positiven Dinge zu nutzen, die Sport bewirken kann, brauchen wir einen Auslöser. Fraglich ist nur, ob ein Ereignis wie das kommerzialisierte Event der Olympischen Spiele wirklich geeignet ist, diesen Wandel in der Wahrnehmung zu schaffen. Oder ob es auch hier nur um den schönen Schein geht, in dem sich die üblichen Politiker, Funktionäre und Geschäftemacher in den nächsten neun Jahren sonnen dürfen.

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