Kirchenasyl in Berlin: Christlich-ziviler Ungehorsam

Hamid B. floh aus Afghanistan und kam über Schweden nach Deutschland – durfte hier aber kein Asyl beantragen. Eine Berliner Kirchengemeinde bietet ihm Schutz.

Das Zimmer eines afghanischen Flüchtlings in Jena: Die Kirchen bauen darauf, dass die Polizei das Kirchenasyl respektiert. (Archiv) Bild: dpa

BERLIN taz | In Afghanistan hat Hamid B.* für die amerikanischen Isaf-Truppen gearbeitet. 2012 wurde auf das Haus seiner Familie ein Anschlag verübt. Der 21-Jährige floh, schlug sich, durch bis nach Schweden. Hilfe bekam er dort nicht, stattdessen kam eines Tages der Brief mit der Abschiebeankündigung. Er floh weiter, 2014 kam er nach Berlin. Auch hier wollte er um Asyl bitten. Doch die Behörde nahm seinen Antrag nicht zur Prüfung an. B. sollte zurück nach Schweden.

Davor will ihn eine Berliner Kirchengemeinde schützen. Seit Januar lebt B. in deren Räumen. Die Gemeinde baut darauf, dass die Polizei das Kirchenasyl respektiert. „Wir wollen, dass das Recht zum Tragen kommt“, sagt die Pfarrerin Barbara Neubert. „Wir wollen keinen Druck ausüben. Aber das Bundesamt soll das Verfahren an sich ziehen, um den Asylgrund nach deutschem Recht prüfen zu können.“

Die Behörde kann das tun, wenn sie will. Die Wahrscheinlichkeit, abgeschoben zu werden, sei in Deutschland für B. viel geringer, als wenn er in Schweden wäre, glaubt Neubert. Es ist das erste Mal, dass ihre Gemeinde einen solchen Schritt geht. Im Herbst fällte der Gemeinderat den Beschluss, Neubert meldete sich beim Verein Asyl in der Kirche. Der sucht ständig nach Plätzen im Kirchenasyl, der Bedarf ist riesig: „Wir haben Platz. Ihr könnt uns jemanden schicken“, schrieb Neubert.

Kurz darauf kam B. zum Treffen mit dem Gemeinderat und erzählte seine Geschichte. Nach Weihnachten durfte B. einziehen. Die Gemeinde richtete einen Raum für ihn her. Sie meldete sich bei der Ausländerbehörde. Die sollte wissen, wo B. ist. „Wir handhaben das offen“, sagt Neubert. Eine Antwort bekam sie nicht.

Frist für die Überstellung

Weil sein Aufenthaltsrecht erloschen ist, zahlt ihm das Sozialamt keine Leistungen, die Gemeinde und Privatleute kommen für seine Lebenshaltungskosten auf. Er lernt Deutsch, hat für die Konfirmanden gekocht, in der Gemeinde hat sich ein Unterstützerkreis gebildet. Der hilft ihm, Dokumente für sein Asylverfahren zu beschaffen. Wenn es denn eins gibt.

Die Zeit arbeitet dabei gegen das Bundesamt. Im September läuft die Frist für die Überstellung nach Schweden ab. Ist B. dann noch im Land, hat er automatisch das Recht, hier einen Asylantrag zu stellen. Über rund 7.200 Asylanträge aus Afghanistan hat das Bundesamt letztes Jahr entschieden, rund die Hälfte bekam Schutz.

Vor Kurzem bekam die Gemeinde Besuch von der Grünen Katrin Göring-Eckardt, sie hatte Journalisten dabei, es war direkt, nachdem de Maizière das Kirchenasyl mit der Scharia verglichen hatte. Es sei „eine christliche Form zivilen Ungehorsams, der Respekt verdient“, hielt Göring-Eckardt dagegen.

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