Jemens Staatschef widerruft Rücktritt: Kampfansage an Rebellen

Bisher kannte man ihn zurückhaltend und passiv. Nach seinem erzwungenen Rücktritt erwarteten viele Resignation, ja Flucht. Aber Präsident Hadi will aufgeben.

Meldet sich zurück: Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi. Bild: dpa

KAIRO ap | Jemens entmachteter Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi schien bereit, das Land zu verlassen, nachdem er aus dem Gewahrsam schiitischer Huthi-Rebellen geflohen war. Aber der Technokrat mit der leisen Stimme trat am Wochenende überraschend ins Rampenlicht, das er bisher stets vermieden hatte. Er erklärte die Machtübernahme der Aufständischen, die weite Teile des Landes kontrollieren, zum Putsch und bezeichnete sich als rechtmäßigen Präsidenten des Landes.

Das plötzliche Wiederauftauchen mit einem herausfordernden Ton nach Jahren ruhiger Herrschaft hat Befürchtungen ausgelöst, dass der Jemen – das ärmste Land der arabischen Welt und erst in den 1990-er Jahren vereint – in Ministaaten zerfällt. Das würde amerikanische Bemühungen erschweren, den mächtigen örtlichen Ableger der Terrororganisation al-Qaida zu bekämpfen.

„Er ist normalerweise sehr passiv und gelassen. Daher hat eine derart starke Erklärung eine Menge Leute überrascht. Hadi hat praktisch die Kampflinien gezogen“, sagt der jemenitische Politikexperte Hischam al-Omeisi. Es sei so wenig typisch für Hadi, dass „viele Menschen ihm erst glauben wollen, wenn er die Erklärung im Fernsehen verliest“.

Bisher hatte sich der vor gut zwei Wochen zum Rücktritt gezwungene und danach unter Hausarrest gestellte Hadi zurückgehalten. Er regierte das Land mit seinen 24 Millionen Einwohnern ohne viele öffentliche Äußerungen oder Reden.

Der jetzt 69-Jährige studierte an mehreren Militärinstituten im einstigen Südjemen, dem einzigen marxistischen Land der arabischen Welt in den Jahren nach dem britischen Abzug 1967. Nach einem verheerenden Bürgerkrieg mit dem Norden stieg Hadi zum Generalmajor in einer vereinigten jemenitischen Armee auf. 1994 wurde er zum Vize unter Präsident Ali Abdullah Saleh ernannt, einem manipulierenden Autokraten, der während seiner drei Jahrzehnte langen Herrschaft geschickt mit den Stammes- und regionalen Rivalitäten umging.

Nach der Revolte des Arabischen Frühlings im Jemen gab Saleh 2012 widerwillig die Macht an Hadi ab – ein Schritt, der von mächtigen Golfnachbarn des Jemen vermittelt und von den USA unterstützt wurde. Saleh erhielt Immunität gegen strafrechtliche Verfolgungen und blieb im Jemen.

Separatisten im Süden

Hadi fand sich an der Spitze einer Regierung mit vielen verborgenen Feinden und wenigen echten Verbündeten wider. Er war mit einem langwierigen Kampf mit Militanten der al-Qaida auf der arabischen Halbinsel konfrontiert, die Washington als den gefährlichsten Ableger der Terrororganisation betrachtet. Hadi hatte es außerdem mit einer schwelenden Separatistenbewegung im Süden und zunehmend aggressiven schiitischen Huthi-Rebellen im Norden zu tun.

„Ihm fehlte eine starke Machtbasis“, sagt der in Washington ansässige Jemen-Experte Michael Horton. „Er hat den Süden schon vor langer Zeit verlassen und wenig Einfluss auf die nördlichen Stämme besessen, die historisch die mächtigste Kraft im Land sind, militärisch und politisch.“

Aber Hadi erwies sich als williger Verbündeter der USA in ihrem Kampf mit Drohnen gegen den örtlichen Arm der al-Qaida, der die Verantwortung für die tödliche Attacke auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo im Januar übernommen hat. Nach Hadis Machtübernahme hat sich die Zahl mutmaßlicher Drohnen-Angriffe nach Erkenntnissen des National Security Program der New America Foundation, einem Politik-Institut in Washington, nahezu vervierfacht. Demnach gab es allein 2012 56 solcher Einsätze.

Mit Drohnen gegen al-Qaida

Die jemenitische Armee vertrieb mit Hilfe der Drohnen-Angriffe al-Qaida-Kämpfer aus mehreren Ortschaften und Städten im Süden. Hunderte radikalisierter Ausländer, darunter Europäer, halten sich Geheimdienstlern zufolge weiter in den ländlichen Teilen der Region auf.

Bei den Drohnen-Attacken kamen auch Zivilisten ums Leben, und als Bilder der Toten in jemenitischen Medien zirkulierten, begannen viele Hadi als amerikanische Marionette zu verachten. Sein Problem wurde noch größer, als er versuchte, die Sicherheitsdienste im Land zu reformieren und dabei Verwandte und Unterstützer Salehs in Schlüsselpositionen entließ.

Als Hadi dann gar Salehs Sohn im August 2012 als Kommandeur der Republikanischen Garde feuerte, gingen Hunderte Angehörige der militärischen Eliteeinheit auf die Barrikaden, versuchten gewaltsam, ins Verteidigungsministerium einzudringen. Im Zuge einer Schießerei kamen fünf Menschen ums Leben.

Im vergangenen Jahr entpuppten sich die Huthis, die zur schiitischen Minderheit der Zaiditen zählen und sich von der Mehrheit der Sunniten benachteiligt fühlen, als größte Bedrohung für Hadi. Viele beschuldigen Saleh, der selbst ein Zaidite ist, die Rebellen zu ihren zunehmend kühnen Attacken ermutigt zu haben.

Koalitionsregierung abgelehnt

Das hat er zurückgewiesen. Aber als die Huthis im September schließlich in die Hauptstadt Sanaa eindrangen und die Kontrolle übernahmen, schlug sich Saleh offen auf ihre Seite. Der UN-Sicherheitsrat beschloss Sanktionen gegen ihn, und seine Partei revanchierte sich, indem sie eine neue, von den UN vermittelte und von Hadi geführte Koalitionsregierung ablehnte.

Im Januar umstellten die Huthis Hadis Haus, der Präsident reichte wenig später seinen Rücktritt ein. Die Rebellen lösten das Parlament auf, und am Samstag flüchtete Hadi aus dem Hausarrest in Sanaa in seine alte Heimat Aden im Süden.

Hadis Büro veröffentlichte am Sonntag eine Erklärung, der zufolge er „seine Funktionen als Präsident der Republik in Aden mit einer Legitimität ausübt, die nicht infrage steht“.

Das klingt ganz nach einer Kampfansage. So sagt auch Experte Al-Omeisi: „Wenn Hadi wirklich meint, was er sagt, führt das unausweichlich zu einer Art Krieg zwischen ihm und den Huthis.“

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