Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die deutschen Medien haben vorzeitigen Dramenerguss, Bayern finanziert Nazitainment in Bayern und Schäuble hat seine Chance vertan.

Macht aus jedem Streik eine Mordsgaudi: GdL-Chef Klaus Weselsky (M.), umringt von seinen Lokführern. Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Standrechtliche Verbundeskanzlerung des armen Olaf Scholz.

Und was wird besser in dieser?

Viele SPD-Bürgermeisterkandidaten haben jetzt richtig Angst, überhaupt noch anzutreten.

Die Waffenruhe, die im Minsk-II-Abkommen beschlossen wurde, hat nicht gehalten. Haben die, die daran geglaubt hatten, einen Schuss?

Das war der Tenor der hiesigen Medien, und es ist, zugegeben, wohlfeil, ihn im Lichte jüngster Meldungen zu schulmeistern: vorzeitiger Dramenerguss. Doch inzwischen gab es den in Minsk vereinbarten Gefangenenaustausch, eine direkte Vereinbarung über den „Abzug schwerer Waffen“ wurde geschlossen. Damit wären Kernpunkte des flugs kaputtgeschriebenen Abkommens wiederauferstanden und erfüllt. Ob das Gemetzel um Debalzewe oder gar eine Eskalation um Mariupol unterm Tisch eingepreist wurden, wird man beargwöhnen müssen. Es wäre schlimm genug. Doch Stand heute hat der grassierende Hurrajournalismus auch diese Chance genutzt, Partei zu sein, wo Gleichdistanz zu allen Kriegsparteien erste Schreiberpflicht ist.

Finanzminister Schäuble schmetterte den jüngsten Hilfsantrag der griechischen Regierung ab. Ein unbarmherziger Christdemokrat?

Die Zugeständnisse: Griechenland darf sich einen lustigen neuen Namen ausdenken für „the arschlöcher formerly known as troika“ und bekommt vier Monate Zeit, die Reformversprechen sozialer zu akzentuieren: gegen Steuerhinterziehung und Korruption. Das kleinere und für Schäuble deutlich vernachlässigbare Problem nennt er: „Die griechische Regierung wird es schwer haben, dies ihren Wählern zu erklären.“ Das größere schmuggelte er im Nebensatz durch article_id=311734:ein Deutschlandfunk-Interview: „Nein, das ist Verschwendung von Zeit.“ Dies ist also die deutsche Antwort auf den griechischen Vorschlag an alle: „Europäisches Sozialprogramm.“ Das ist die Niederlage, die er Armen in ganz Europa, Arbeitslosen, Rentnern, und durchaus auch Konjunkturverlierern in Deutschland zufügt: sich um die Aufspaltung der Gesellschaft zu kümmern sei „Verschwendung von Zeit“. Mag sein, das Tsipras keine Chance hatte. Schäuble hatte eine.

Der Freistaat Bayern hatte das Münchner Institut für Zeitgeschichte damit beauftragt, Hitlers „Mein Kampf“ für die Veröffentlichung im nächsten Jahr wissenschaftlich aufzuarbeiten. Mit 5.000 Kommentaren und 150 Seiten Vorwort ist das Buch nun mehr als doppelt so dick. Was sagt man dazu?

In der Branche: Nazitainment. Inhaltlich und erst recht rhetorisch richtet das Unbuch sich selbst. Sein Potenzial liegt im Symbolgehalt, man mag sich Nazidemos mit ganz legalem Buchwinken gar nicht erst vorstellen. Es war kommod mit dem Trick der Bayerischen Staatsregierung, als Erbe Hitlers die urheberrechtlich üblichen 70 Jahre nach dem Tod abzusitzen. Und zugleich wusste man, dass ein Verbot keine ewige oder aufgeklärte Lösung war. Mit einem anderen Klassiker: Na warte, sagt Schwarte.

Ein saudischer Kleriker behauptet, dass die Erde sich nicht um die Sonne drehe. Ist das wissenschaftsfeindlich oder nur ein alternatives Wissenschaftsverständis?

Da kann er sich mit den Kreationisten zusammentun, die US-Schulbücher um die Weisheit ergänzt sehen wollen: Die Erde ist 6.000 Jahre alt, die Dinos sind gelogen, die Bibel hat immer recht. Wann endlich bilden die Fundis der Welt eine internationale Deppenallianz und lassen uns in Ruhe? Einleuchtend allerdings sein Beleg: Bei rotierender Erde könnten die Flugzeuge in der Luft stehen bleiben und kämen auch so nach China.

GDL-Chef Claus Weselsky ist mit den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn äußerst unzufrieden und kündigt weitere Streiks an. Ist er Held oder Nervensäge?

Wenn sich die Luftfahrt- und Autoindustrie einen Buhmann hätte ausdenken wollen, sie wären sehr stolz, auf einen Designerweselsky gekommen zu sein. Gleichwohl ist der Mann ja auch der Florian Silbereisen der Gewerkschaftsbewegung: Etwas hat überlebt, es gibt noch „Streiks“, a zünftige Gaudi.

Und was machen die Borussen?

Das stets empfehlenswerte Fanzine schwatzgelb.de schildert vom Stuttgart-Spiel, bei dem im Dortmunder Block neben eher grundsätzlich humanistischen Spruchbändern wie „Auf die Fresse, Springer-Presse“ auch eine „richtig peinliche ’Je suis Boyz Köln‘ “-Fahne hing: „Die haben nicht nur den Schuss nicht gehört, sondern auch die Pfanne heiß.“ Kann man so sagen.

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