Kriminelle Hooligan-Vereinigungen: „Die Kampfsportinteressierten“

Gleich fünf Hooligangruppen mit rechtsextremen Verbindungen geben ihre Auflösung bekannt. Grund ist wohl ein Urteil des Bundesgerichtshofes.

HoGeSa-Aufmarsch in Hannover Ende vergangenen Jahres Bild: imago/Joachim Sielski

Gleich mehrere Hooligangruppen haben in den vergangenen Wochen ihre Auflösung verkündet. Ein Zufall? Eher nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass dies im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) am 22. Januar steht, wonach Hooligan-Gruppen kriminelle Vereinigungen darstellen können.

Auch die „Westfront Aachen“, deren Mitglieder Kontakte in die Türsteher- und Rockerszene unterhielten, erklärten ihre Gruppierung jüngst für nicht mehr existent. Weil Mitgliedschaften in kriminellen Vereinigungen teils hohe Strafen nach sich ziehen können, glaubt der Fanforscher Jonas Gabler, dass das die wahre „Intension“ für die Auflösungen ist.

Das BGH-Urteil, auf das der Politologe Gabler verweist, der am Institut für Sportwissenschaft an der Leibniz Universität Hannover tätig ist, enthält eine Passage, die in Hooligankreisen offenbar für Unruhe sorgt: Mitgliedern oder Unterstützern von kriminellen Vereinigungen müssen nicht mehr einzelne Straftaten nachgewiesen werden, ihnen droht schon alleine wegen der Mitgliedschaft oder eines Anwärterstatus eine Freiheits- oder Geldstrafe. Ermittler dürfen zudem die Telefone von Verdächtigen überwachen, solche Vereinigungen verbieten und deren Vermögen beschlagnahmen.

Kurz nach dem Urteil gaben die „Standarte Bremen“ (Werder Bremen) und die „Westfront Aachen“ ihre Auflösung bekannt, wobei die „Westfront“ das Auflösungsdatum auf den 15. Januar zurück datierte. Später verkündeten die Hooligan-Gruppen „Vulture Hannover 13“ (Hannover 96) und „MRH“ (Bayern München) ihr Aus.

Anfang Februar wurde bekannt, dass die „Division Duisburg“ (MSV Duisburg) sich aufgelöst haben will, allerdings schon seit Anfang Januar. Gabler findet jedoch den Zusammenhang mit dem Urteil „einleuchtend“.

Auch der nordrhein-westfälische Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, sagte dem WDR, das BGH-Urteil habe zu den Auflösungen geführt. „Die Auflösung soll es der Polizei erschweren, gegen die Hooligan-Gruppierung als Ganzes vorzugehen“, befand auch der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Im Oktober 2013 geriet die „Westfront Aachen“ erstmals in die Schlagzeilen. Als in Bonn binnen weniger Tage Rocker der Bandidos und Hells Angels aufmarschierten, ihre Macht demonstrierten, und ein Großaufgebot der Polizei Platzverweise erteilte, gab es auch einen Auftritt der „Westfront“. Deren Mitglieder waren mit bis zu 50 Personen ähnlich martialisch auch in Aachen und im belgischen Eupen unterwegs, in Shirts und Jacken gekleidet, bedruckt mit dem Namen der Gruppe.

Umbrüche in der Szene

„Westfront Aachen“, das war eine Art Weiterentwicklung von Hooligans, die sich „Westwall Aachen“ nennen. Beide Gruppen sind oder waren zwar nicht Teil der rechtsextremen Szene. Unter den Mitgliedern oder in deren Umfeld befinden oder befanden sich auch Migranten – beispielsweise nationalistisch eingestellte junge Männer mit türkischem oder griechischen Wurzeln – teilweise aber eben auch Personen, die Jahre zuvor noch in der Neonazi-Szene aktiv waren.

Bei den „Westfront“-Mitgliedern handelte es sich überwiegend um durchtrainierte und muskelbepackte Kampfsportler, die bei Sicherheitsdiensten und in der Türsteher-Szene arbeiten. Jene Szene war in den letzten Jahren starken Umbrüchen ausgesetzt. Rockergruppen versuchten im Großraum Aachen und Köln, „Türen zu übernehmen“, es kam zu provokativen Besuchen in Diskotheken, deren „Tür“ verfeindete Gruppen „machten“.

Offenbar dachten sich daher auch Hooligans aus Aachen, dem niederländischen Kerkrade, Mönchengladbach und Bonn, dass man eigene „Qualitäten“ als Respekt einflößende Gruppe besser vermarkten kann.

Hooligans aus Belgien

2012 gründete sich also die „Westfront“, firmierte fortan als „Westfront Deutschland“ und „Westfront Aachen“, gründete die „Westfront Jugend“ und eine Art Supporter- und Anwärtergruppe namens „Legion WF“. Im Bereich der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens folgte die „Westfront Eupen“, bestehend aus Neonazis und Hooligans (AS Eupen). Die deutsche Polizei wertete den Zusammenschluss anfangs als eine rockerähnliche Vereinigung.

Ende 2014 umschrieb der Aachener Polizeisprecher Werner Schneider die „Westfront“ allerdings nur noch als „Hooligangruppierung“. Andrea Tilgenkamp, die Leiterin der Eupener Staatsanwaltschaft, befand über den ostbelgischen Ableger, dieser verbreite „ein gemeinsames rechtsgerichtetes Gedankengut“.

Strafrechtlich aufgefallen waren andere Mitglieder der „Westfront“ bei Schlägereien und Ausschreitung rund um den Fußball, Stadionverbote inbegriffen. Weitere Mitglieder waren in der Vergangenheit auch durch Straftaten aus dem rechten Spektrum aufgefallen.

Auf der eigenen Homepage versicherte die „Westfront“ jedoch bis zu ihrer Auflösung: „Politik spielt bei uns genauso wenig eine Rolle, wie die Art des Fortbewegungsmittels, die Hautfarbe oder das Alter.“

Westfront Eupen macht weiter

Kurz nach dem BGH-Urteil verkündete die Gruppe indes via Web, dass alle deutschen Gliederungen und „Supportergruppen“ aufgelöst seien. Explizit nicht als aufgelöst wird die „Westfront Eupen“ genannt, die von dem Urteil in Deutschland nicht betroffen ist.

Tage nach der Veröffentlichung konkretisierte man nachträglich, man sei gar keine Hooligangruppe gewesen, sondern ein „Klub kampfsportinteressierter Männer, die die selben Werte teilten“. Daher beteilige man sich nicht „an den aktuellen Diskussionen“ rund um das Urteil. Polizeisprecher Schneider sagt, seine Behörde beobachte dennoch sehr genau, ob und wie ehemalige Mitglieder künftig in Erscheinung treten.

Auffallend ist, dass Mitglieder einiger der fünf aufgelösten Hooligangruppen immer wieder in Verbindung mit der rechtsextremen Szene gebracht oder ihnen Kooperationen mit Rockern nachgesagt wurden. Teilweise stehen jene Hooligans im Ruf, in den Stadien oder andernorts Gewalt gegenüber antifaschistischen Fans angewendet zu haben oder bei den „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) aktiv zu sein.

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