Der große Windelwechsel

Stolze „Ernährer“ sind entsetzt über die Pläne zu einem Elterngeld: Weil es auch dem Vater eine Babypause abverlangt, sehen die „Neuen Bürgerlichen“ ihr klassisches Rollenmodell gefährdet

VON COSIMA SCHMITT

Sie lamentieren, als drohe der Untergang der Familienkultur. Sie sprechen von „Umerziehung“ und „Zwang“. Das geplante Elterngeld sorgt für Streit (siehe Kasten). Kritiker entzürnt vor allem das „Projekt Papadienst“, also dass der Staat nur dann voll zahlen will, wenn der Vater zumindest zwei Monate der Babypause übernimmt. Das Regelwerk nötige Paaren eine politisch gewünschte Lebensform auf, so der Tenor – und beschneide ihr Recht, das Hausfrau-Ernährer-Modell vorzuziehen.

Die Empörung überrascht. Zwar setzt ein Elterngeld finanzielle Anreize. Niemand aber ist gezwungen, das Angebot auch zu nutzen. Papageld vom Staat mag manchen Zauderer überzeugen. Dass aber Topmanager den Chefsessel gegen den Wickeltisch eintauschen, wird die Ausnahme bleiben. In Schweden etwa, der Erfindernation des Elterngelds, nehmen lediglich vier von zehn Vätern die zwei Monate Auszeit.

Ein Verdacht liegt nahe: Hier geht es gar nicht um acht Wochen Babydienst. Das ist nur ein Symbol. Die wenigen bekennenden Elterngeld-Kritiker in der Union könnten das Sprachrohr jener CDU-Klientel sein, die sich zutiefst verunsichert fühlt. Von solchen Gefühlen berichten auch Organisationen wie die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands.

Noch vor kurzem einte das Gros der CDU-Klientel ein Weltbild, das Frauen zwar nicht unbedingt in die Küche bannte – aber doch deutlich machte, wo ihre Prioritäten zu liegen hätten. Nun hat das alte Heimchen-am-Herd-Ideal hat an Strahlkraft verloren. Mit ihm konkurrieren neue Rollenbilder. Diese Strömungen in der Union schätzen Kitas und pochen auf Väterpflichten am Babybett. Plötzlich sehen sich tausende Unionsanhänger mit ihrer Rabenmütter-Rhetorik an die Dorfstammtische verbannt.

Hinter der Skepsis gegenüber den neuen Papamonats-Plänen dürfte also mehr stehen als die Furcht mancher Männer, eine lieb gewonnene Regel könnte künftig nicht mehr gelten: dass ein Baby das Leben einer Frau, nicht aber das des Mannes grundlegend ändert. Auch die Frauen sind keine einigen Befürworterinnen der neuen Zeit. Zu sehr stehen nun ihre eigenen Lebenswege in Frage.

Noch vor wenigen Jahren fühlte sich jene, die sich trotz Uni-Diplom für den Alleinberuf Mutter entschied, vom gesellschaftlichen Konsens getragen: der Überzeugung, dass sie nur so optimal fürs Kinderwohl sorgt. Nun aber fragt sich manche sechzigjährige Hausfrau: War der Jobverzicht wirklich notwendig, damit der Spross Arzt wird und nicht Hartz-IV-Empfänger? Hätte vielleicht eine Feierabendmutter, unterstützt von einem Vater-Kita-Netzwerk, das ebenso gut geschafft?

Es gibt noch andere Indizien dafür, dass sich Teile der Bevölkerung nach der guten alten Klarheit zurücksehnen. Die derzeit boomende Verklärung der Fünfzigerjahre ist dafür ebenso bezeichnend wie die Sehnsucht nach „Werten“, nach einer Zeit, in der eine Ehe eine Tisch-und-Bett-Gemeinschaft war und keine Koalition zum RTL-Gucken. Und in der frau bei Erziehungspro blemen die Oma fragte und nicht die Super-Nanny.

Die Elterngeld-Pläne der Familienministerin wird die Skeptikerfront wohl nicht stürzen können. Das Problem dahinter aber bleibt: Für eine gewandelte Gesellschaft braucht es mehr als ein paar fortschrittliche Politprogramme.