Sexarbeit und Politik: Offener Brief an Kanzlerin Merkel

Die Koalition will das Prostituiertenschutzgesetz verschärfen. Ein Bündnis aus Frauenverbänden und Beratungsstellen ist dagegen.

Für Sex mit einer Fremden muss Mann in der Regel bezahlen. Bild: Karsten Thielker

BERLIN taz | Frauenrechtsverbände, Beratungsstellen für SexarbeiterInnen und evangelische Einrichtungen wagen im Zuge der Koalitionsverhandlungen zur Reform des Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) den großen Aufschlag: „Eine Kriminalisierung der Prostitution zur Bekämpfung des Menschenhandels wäre kontraproduktiv“, heißt es in einem Offenen Brief, das in seiner Form bisher einmalige Bündnis am Mittwoch veröffentlichte. Der Brief richtet sich unter anderem an Kanzlerin Angela Merkel.

Hintergrund sind die Pläne der Bundesregierung, das bestehende Gesetz zu verschärfen. So sollen unter anderem das Schutzalter für legale Prostitution von 18 auf 21 Jahre angehoben werden und Gesundheitsuntersuchungen für SexarbeiterInnen Pflicht werden. Darüber hinaus wird über eine Meldepflicht für Prostituierte diskutiert.

Das Bündnis, darunter der Deutsche Frauenrat und die Diakonie, wendet sich gegen diese Pläne. Es unterstütze zwar das Vorhaben, Prostituierte vor Gewalt zu schützen und ihnen eine gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Doch genau das Gegenteil werde eintreten, wenn das Gesetz verschärft würde.

So ließen sich minderjährige SexarbeiterInnen kaum davon abhalten, auf den Strich zu gehen, sagte Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission. „Warum sollten es jene tun, die schon 18 sind?“, sagt sie. Die meisten dieser Mädchen und jungen Frauen würden zwar freiwillgi auf den Strich gehen, sie seien dazu aber durch ihre soziale Notlage gezwungen. Viele hätten keine Ausbildung, keinen Job.

Auch der Zuhälter will, dass die Frauen gesund sind

Monika Nürnberger vom Berliner Frauentreff Olga hält Zwangsuntersuchungen für absurd. So seien Frauen, die selbstständig und freiwillig Sexdienste anbieten, peinlich auf Körper- und Gesundheitspflege bedacht. Aber auch Prostituierte, die für einen Zuhälter arbeiten, seien nicht weniger geschützt. „Der Zuhälter hat ein Interesse daran, dass die Frau gesund ist“, sagte Nürnberger. Die Sozialarbeiterin fürchtet im Falle behördlicher Zwangsuntersuchungen eher, dass Zuhälter dann sagen: Da gehst du nicht hin.

Der Deutsche Juristinnenbund (djb), der die Initiative der Verbände angeschoben hat, meldet rechtliche Bedenken bei der Meldepflicht an. Die Meldepflicht widerspreche dem Datenschutz, meinte djb-Vorsitzende Maria Wersig: Würden die persönlichen Daten von Prostiuierten erhoben, würden damit auch Daten über sexuelle Praktiken der Betroffenen erfasst. Darüber hinaus gehe die Meldepflicht davon aus, dass Prostitution „ein ganz normaler Beruf ist“, so Wersig: „Das ist er aber noch nicht.“

Als falsches Signal wiesen die Initatorinnen das Argument zurück, mit einem rigderen Prostituiertenschutzgesetz würde der Menschenhandel eingedämmt. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, so der einhellige Tenor. Vielmehr würde Menschen hierher geschleust, um vor allem in Schlachtfabriken zu arbeiten. Die Zahl der Zwangsprostituierten sei gering, das bestätige selbst das Bundeskriminalamt.

Unabhängig davon beschloss das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der weitere Formen von Menschenhandel unter Strafe stellt. Das Schutzalter für minderjährige Opfer von Menschenhandel werde demnach von derzeit 14 Jahren auf 18 Jahre angehoben. Damit soll verhindert werden, dass Kinder nach Deutschland geschleust werden, um hier zu betteln und zu steheln. Tätern drohen mindestens sechs Monate Haft. Damit setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie durch. Menschenhandel zum Zwecke der Prostutition ist davon unberührt. Der soll mit dem Prostituiertenschutzgesetz erfasst werden, das zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt wird.

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