Josef S. über den Wiener Akademikerball: „Ein Hort reaktionärer Ideologien“

Weil er gegen das Burschenschaftstreffen protestierte, saß Josef S. ein halbes Jahr in Haft. Er kritisiert das Verfahren gegen sich und die Stimmungsmache der FPÖ.

Protest gegen den Akademikerball vor der Wiener Hofburg im Jahr 2013. Bild: dpa

taz: Josef, am Freitag trifft sich Österreichs rechtes Establishment zum jährlichen Akademikerball in der Wiener Hofburg. Tausende Gegendemonstranten wollen das verhindern. Bist Du wieder dabei?

Josef: Nein. Da ich wieder studiere und mitten in der Prüfungsphase bin, passt es mir zeitlich nicht so gut. Außerdem ist es wohl besser, erst mal das Berufungsverfahren abzuwarten und nicht wieder einen schlechten Eindruck zu machen.

Bist du vorsichtiger geworden?

Ich mache mir mehr als früher einen Kopf darüber, mit wem ich zu Demonstrationen fahre und wie ich mich dort bewege. Aber ich lasse mich nicht abschrecken, weiterhin politisch aktiv zu sein.

Wie ist der aktuelle Stand Deines Verfahrens?

Ich bin wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung verurteilt worden, obwohl es dafür außer den Aussagen eines Polizisten keine Beweise gab. Dagegen haben wir Rechtsmittel eingelegt, eine sogenannte Nichtigkeitsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof. Wenn dieser stattgegeben wird, muss das Verfahren neu aufgerollt werden. Wenn nicht, wird mein bisheriges Urteil rechtskräftig. Davon abgesehen wurde mir infolge der Verurteilung jetzt eine Rechnung über fast 10.000 Euro für ein demoliertes Polizeiauto zugestellt. Ich hoffe, dass sich das mit einer Annullierung des Urteils erledigt.

Was kritisierst Du an dem Verfahren?

Die Beschwerde basiert auf Verfahrensfehlern, etwa einer fehlerhaften Würdigung von Beweisen oder der Bezugnahme auf Zitate im Urteil, die so gar nicht in den Akten stehen. Abgesehen davon ist die politische Ebene des Prozesses ein Problem. Schon in der Anklageschrift wurde sehr, sehr viel über die Demonstration geschrieben, der Staatsanwalt sprach von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Alles machte den Eindruck, dass nicht ich als einzelne Person vor Gericht stand, sondern der ganze Protest gegen den Akademikerball.

Der 24-Jährige studiert in Jena und ist Mitglied bei der „Sozialistischen Jugend – die Falken“. Bei den Protesten gegen den Akademikerball wurde er im Januar 2014 festgenommen und saß bis zur Urteilsverkündung ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Im Juni wurde ihm der Jenaer Preis für Zivilcourage verliehen. (taz)

Denkst Du, dass an Dir ein Exempel statuiert werden sollte?

Die Polizei spricht von 500 Teilnehmern des Schwarzen Blocks, von denen aber nur wenige festgenommen wurden. Es ging darum, diese so hart zu bestrafen, dass möglichst auch die anderen nicht wieder kommen. Ich war der Einzige, der in Untersuchungshaft saß, sicherlich weil ich alle Vorurteile erfüllt habe: Ich war schwarz gekleidet und bin extra aus Deutschland angereist. Für die Polizei war ich damit ein großer Fang.

Warum steht der Ball so im Fokus der Kritik?

Der Akademikerball ist ein von der rechten Partei FPÖ organisiertes Treffen von Burschenschaftlern. Diese Verbindungen sind seit jeher ein Hort reaktionärer Ideologien; geprägt von Rassismus, Antisemitismus und einer geistigen Nähe zum Faschismus. Der Ball ist für die ein Event, auf dem sie sich vernetzen und ihre bestehenden Verbindungen vertiefen können. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ europaweit immer stärker werden. Mit ihren nationalistischen Parolen und Abwertung von Migranten sind sie eine Gefahr für eine freie Gesellschaft. Daher wäre es schön, wenn die Proteste dieses Treffen verhindern könnten.

Wie beurteilst Du in diesem Jahr die politische und mediale Stimmung in Österreich im Vorfeld des Balls?

Ich habe das Gefühl, dass die FPÖ noch stärker als in den vergangenen Jahren Stimmung macht. Der Vorsitzende Heinz-Christian Strache hat etwa vor den „Stiefeltruppen der SA (Sozialistische Antifa)“ gewarnt, die „wieder durch Wien marschieren“ werden. Auch gibt es die klassische Panikmache vor möglichen Krawallen, die nun auch zum Verbot der Demonstration des Bündnisses NOWKR geführt hat. Andererseits wird medial auch ein stärkeres Augenmerk auf jene gerichtet, die die Gegenproteste organisieren. Das Interesse ist generell gestiegen.

Hat Dein Fall damit etwas zu tun?

Ich denke schon. Mein Fall hat in den österreichischen Medien hohe Wellen geschlagen. Die Kritik meiner Anwälte fand viel Gehör. Vermutlich auch als Reaktion darauf, versucht die Polizei inzwischen viel stärker offen zu kommunizieren, etwa durch einen eigenen Twitterkanal.

In einem Video vom vergangenen Jahr ist zu sehen, wie Du einen umgekippten Mülleimer wieder aufstellst. Ein http://www.youtube.com/watch?v=bhxY5n-QegcMobilisierungsclip der Protestgegner aus diesem Jahr nimmt genau darauf Bezug. Gefällt Dir diese Rolle?

Meine Anwesenheit macht die Proteste nicht besser oder schlechter. Aber na klar: Mein Fall ist vielleicht noch ein Grund mehr auf die Demo zu gehen und zu sagen „Jetzt erst recht“.

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