Kommentar Studie zu Pegida: Die schweigende Mehrheit

Die Studie zu Pegida hat die wohl wichtigste Gruppe der Demonstranten nicht erfassen können. Doch diese würde an den Kernaussagen wenig ändern.

Mag die Medien nicht, aber ob der mit Wissenschaftlern gesprochen hätte? Pegidist in Dresden Bild: dpa

Die erste empirische Untersuchung der TU Dresden zur Zusammensetzung der Pegida-Demonstranten ist mit Vorsicht zu genießen. Sie bestätigt einige Beobachtungen, weckt aber vor allem Neugier auf jene zwei Drittel der Demonstranten, die den Interviewern eine Antwort verweigerten.

Wer sich seit rund zwei Monaten Montag für Montag unter die „Abendspaziergänger“ von Pegida mischt, gewinnt nicht den Eindruck, es handele sich um die besser verdienende Mittelschicht mit einem Viertel Hochschulabsolventen. Das aber ergaben die 400 verwertbaren Antworten. Das Stammtischniveau der Gespräche, die Zurufe und auch mit dem Mikrofon eingefangene O-Töne bestätigen eher die Annahme, dass sich hier auch ein erheblicher Teil von zu kurz Gekommenen, Wendeverlierern und schlichteren Gemütern einfindet. Deutschland ist sozial zutiefst gespalten. Die Interviewer selbst berichten von teilweise feindlichen Reaktionen, obschon sie sich als Wissenschaftler und nicht als Vertreter der „Lügenpresse“ auswiesen.

Vermutlich aber würde auch deren Einbeziehung nichts an der zentralen Aussage ändern, dass vor allem die Frustration über die politische Klasse und deren angeblichen Handlanger in den Medien diese Bürger auf die Straße treibt. Angst vor Islamisierung und Asylbewerbern sind dabei zweitrangig. Hier demonstrieren Bürger, die mit Demokratie nichts oder wenig anfangen können und nie versucht haben, sich mit ihren Überzeugungen zivilgesellschaftlich zu organisieren oder parteipolitisch einzubringen. Stattdessen haben sie das dringende Bedürfnis sich zu beschweren.

Spricht man mit Forschungsinstituten oder den großen Kulturinstitutionen, so ist Dresden bereits international in Verruf geraten. Die Studie rehabilitiert die sächsische Landeshauptstadt wieder ein wenig und bestätigt damit eine weitere Beobachtung. Nur noch ein Drittel der Demonstranten wohnt hier, die übrigen sind Demo-Touristen aus Sachsen oder der gesamten Bundesrepublik.

Apropos Forschung: Der Leiter der Pegida-Studie, Prof. Hans Vorländer, leitete bis 2013 auch den einzigartigen Sonderforschungsbereich „Transzendenz und Gemeinsinn“ an der TU Dresden. Der befasste sich mit den Fragen, was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hielt dieses Thema für überflüssig und wickelte ihn nach vier Jahren ab.

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Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.

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