Gegen Islamfeindlichkeit: Israeli: Fühle mich nicht als Opfer

Shahak Shapira, der in der Nacht zu Neujahr angegriffen wurde, warnt in Diskussion in Neukölln vor antimuslimischer Hetze

Juden erleben in Berlin wiederholt antisemitische Attacken. Der jüngst angegriffene 26-jährige Shahak Shapira fühlt sich in der Stadt dennoch sicher. Bild: DPA

Rund fünfzig Menschen haben sich an diesem Dienstagabend im Neuköllner Leuchtturm zusammengefunden. Es sind überwiegend junge Neuköllner, die an der offenen Gesprächsrunde mit Shahak Shapira in dem Bürgerbegegnungszentrum teilnehmen. Der Raum ist prall gefüllt. Shapira, Israeli, hatte in der Neujahrsnacht in der U-Bahn Männer gefilmt, die antisemitische Parolen riefen. Es kam zu einem Übergriff. Der Fall ging durch die Presse. Doch die Art der Berichterstattung schmeckt ihm nicht: Der Vorfall soll nicht benutzt werden, um Islamfeindlichkeit zu rechtfertigen, meint er. Mit ernstem Blick sitzt der 26-Jährige, der seit zwölf Jahren in Deutschland lebt, vor seinem Publikum. Dunkelblondes Haar, ein modischer Bart. Shapira wirkt schüchtern. Neben ihm sitzen die Kulturanthropologin Sultan Doughan und die Judaistin Hannah Tzuberi, die mit ihm die Gesprächsrunde leiten.

Shapira erzählt von dem Übergriff. In einem voll besetzten U-Bahn-Waggon hatten einige junge Männer mit mutmaßlich arabisch-türkischer Herkunft lauthals „Fuck Israel. Fuck Juden!“ gebrüllt. Als zwei andere Männer einschritten, kam es zu einem Gemenge. Shapira und seine Freunde traten dazu, er filmte die Szenerie. Er wurde gepackt und bespuckt. „Ich wurde nicht verprügelt“, erklärt er, anders, als die Medien oft berichteten. Die Täter hätten auch nicht sofort gewusst, dass er Jude sei, bis er es im Eifer des Gefechts sagte. „Ich fühlte mich nicht als Opfer“, so Shapira. Wohltuende Worte zu einer Zeit, da Fremdenfeindlichkeit und Terror die öffentliche Agenda dominieren.

Als sich zeigte, dass die Täter keine Neonazis waren, wie eine Zeitung fälschlicherweise berichtete, schien ein Stigma bedient: muslimischer Antisemitismus. Doch Shapira stellt sich gegen diese Besetzung. Er will nicht, dass Hass geschürt wird. Antisemitismus soll nicht für Islamfeindlichkeit instrumentalisiert werden.

Unterdessen hatte Pegida seinen Fall auf Facebook gepostet, um gegen Muslime zu hetzen. Shapira kommentierte dies mit „Ihr stinkt. Fuck off.“ Der Beitrag wurde gelöscht. Doch trotz der aufgeladenen Stimmung angesichts der aktuellen Nachrichten behält Shapira die Ruhe. Der Übergriff sei kein typisches Berliner Phänomen. „Berlin ist eine offene Stadt.“ Er fühle sich hier sicher. Man glaubt ihm.

Auch im Publikum scheint Einigkeit zu herrschen, dass ein friedliches Zusammenleben von Juden und Muslimen in Berlin möglich ist. Pegida und antisemitischen Tendenzen zum Trotz.

Dennoch stellt Shapira fest: „Es fehlt generell Akzeptanz für andere Religionen.“ Er blickt sich um. Vom eigentlichen Thema, der Instrumentalisierung von Antisemitismus, ist die Runde im Laufe der Debatte abgerückt. Das Publikum und die beiden Rednerinnen haben sich inzwischen in eine Israel-Islam-Debatte hineingesteigert. Shapira scheint dennoch zufrieden. Es lebt sich gut in Berlin, findet er.

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