Gekauftes Examen: 30.000 Euro und eine Pistole

Das Landgericht Lüneburg hat das Verfahren gegen einen Richter eröffnet, der Prüfungsunterlagen verkauft haben soll.

Manchmal mehr Schein als Sein: frischgebackener Absolvent. Bild: dpa

LÜNEBURG taz | Es ist einer der größten Justizskandale der vergangenen Jahre in Deutschland: Seit Mittwoch muss sich vor dem Landgericht Lüneburg ein 48-jähriger Richter als Angeklagter verantworten. Er soll als Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt Lösungen für das Zweite Staatsexamen an Referendare verkauft haben.

Der Fall bietet Stoff für einen Roman: Ein mit mindestens 5.200 Euro im Monat besoldeter Beamter soll gegen fünfstellige Beträge Prüfungsunterlagen zum Kauf angeboten haben. Laut Staatsanwaltschaft soll er mit einer der betroffenen Referendarinnen ein Verhältnis gehabt haben. Vier Kandidaten soll er gedroht haben, sie wegen übler Nachrede zu verklagen, falls sie ihn verraten würden. Diese vier hätten sich jedoch gegenüber den Ermittlern geäußert, so dass in diesen Fällen nur wegen „versuchter Nötigung“ ermittelt werde.

„So ein Fall ist mir bundesweit nicht bekannt“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Lutz Gaebel. Als die Staatsanwaltschaft dem Richter auf den Leib rückte, setzte er sich im Zug nach Italien ab. Bei seiner Festnahme in Mailand hatte er 30.000 Euro im Gepäck und eine geladene Pistole.

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft dem Richter, einem ruhigen, groß gewachsenen Mann mit Vollbart, vor, er habe seit dem Jahr 2011 mindestens sechs Referendaren die Inhalte von Prüfungsklausuren oder Lösungshinweise angeboten. Einer von ihnen soll bezahlt und die entsprechenden Unterlagen erhalten haben, was nach Ansicht der Staatsanwaltschaft „Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall“ gleichkommt. Bei den fünf anderen Fällen sei unklar, ob tatsächlich Geld geflossen sei. Hier lautet die Anklage deshalb nur „Verdacht auf Verletzung von Dienstgeheimnissen“.

Bestechlichkeit bedeutet laut Strafgesetzbuch, dass ein Amtsträger einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung für eine Diensthandlung fordert.

In besonders schweren Fällen können ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden statt bis zu drei Jahre oder eine Geldstrafe in minder schweren Fällen.

Das Justizministerium hat seit 2011 die Staatsexamina von 2.000 Absolventen überprüft. In 15 Fällen ging es möglicherweise nicht mit rechten Dingen zu. Hier laufen Verfahren zur Aberkennung des Examens.

Die Referendare, denen der Richter tatsächlich Prüfungsinhalte verraten haben soll, waren bereits einmal durchgefallen oder versuchten, ihre Noten durch eine Wiederholung zu verbessern. Schon im April 2013 war im niedersächsischen Justizministerium der Verdacht aufgekommen, mit den Prüfungen könnte etwas nicht stimmen, weil ein Wiederholer sich in überraschendem Maße verbessert hatte. Erste Ermittlungen verliefen im Sande.

Richtig ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen im Januar eine Referendarin, die dem Justizministerium berichtete, ihr sei eine Prüfungsskizze angeboten worden. Damit gab es einen konkreten Hinweis. Im März durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft das Büro des Richters. Kurz darauf wurde er vorläufig seines Amtes enthoben.

Der Angeklagte wollte sich bei Prozessbeginn nicht äußern. „Auf Anraten der Verteidigung will der Angeklagte keine Angaben zur Sache tätigen“, erklärte einer seiner beiden Anwälte. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.