Kommentar CSU fordert Deutschpflicht: So blöd wie breit

Ausländer sollen zu Hause Deutsch sprechen, fordert die CSU. Sie macht sich zum Horst und zeigt, wie unbrauchbar das Wort „Integration“ geworden ist.

Eheleute Stoiber und Seehofer: Hier wird zuhause Deutsch gesprochen. Oder halt das, was man dafür hält. Bild: Imago/Astrid Schmidhuber

Die CSU hat eine Idee: „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen“, heißt es im Entwurf des Leitantrags für den Parteitag Ende kommender Woche. Dies berichtete die Nachrichtenagentur dpa am Freitag, am Montag will der Parteivorstand darüber entscheiden.

Man könnte sagen: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Vorschlag ausgerechnet aus Bayern kommt. Aber ihr würdet es nicht verstehen. Deshalb in aller Deutlichkeit: Hallo CSU, ihr seid so blöd, wie ihr auf dem Oktoberfest breit seid.

Denn wenn es nicht so wäre, würdet ihr selber darauf kommen, dass sich diese Forderung bei anderen Leuten nach obrigkeitsstaatlicher Bevormundung anhören würde, aus eurem Munde aber grotesk ist. Ihr würdet ahnen, dass die Leute euch auslachen werden. Dass sie euch zurufen: „Lernt erstmal selber Deutsch!“ Dass sie schnippisch fragen: „In welcher, der Erst- oder der Zweitfamilie?“ Dass sie feststellen: „Und so was will eine konservative Familienpartei sein.“ Dass sie genüsslich die Reden eures Ministers Alexander Dobrindt hervorkramen oder sich der Gestammelten Werke eures früheren Vorsitzenden Edmund Stoiber erinnern.

Kurz: Wenn ihr nicht so blöd wie breit wärt, hätte euch gedämmert, dass ihr euch mit so einer Idee noch mehr zum Horst machen würdet als man es von euch ohnehin gewohnt ist.

Der gute alte Ausländer

Aber für diesen depperten Vorschlag muss man euch auch dankbar sein. Zum einen, weil es mal wieder um die guten alten Ausländer geht und nicht wie sonst um die Muslime. Vor allem aber, weil allmählich klar werden dürfte, dass das Wort „Integration“ zu einem Kampf- und Maßregelungsbegriff geworden ist. Jeder noch so schwachsinnige Vorschlag, jede verfassungswidrige Forderung, jede Gemeinheit aus dem Repertoire des Überwachungsstaates kommt im Namen der „Integration“ daher.

Die Deutschpflicht für Ausländer ist schon ziemlich gut. Aber da geht noch mehr: Hallo, CSU: Was sagt ihr eigentlich dazu, dass die Hürriyet (!) in Deutschland (!!) immer noch auf Türkisch (!!!) erscheint? Dass die Ausländer ihre Kinder weiterhin Özlem, Mohammed oder Mladen nennen? Dass die Türken im Zweifelsfall ihren Urlaub lieber in der Türkei und die Griechen lieber in Griechenland verbringen anstatt im Bayerischen Wald oder im Allgäu?

Deutsche Ich-Ideale

Doch es kommt gar nicht darauf an, ob einige Gemeinheiten in die Tat umgesetzt werden. Das permanente Reden genügt, um stets ein neues deutsches Ich-Ideal zu formulieren, dem die Ausländer im Allgemeinen und die aus muslimischen Ländern im Besonderen niemals gerecht werden können. Man erinnere sich an Mithat Gedik aus Werl, der nur dank der öffentlichen Aufmerksamkeit den Titel Schützenkönig behalten durfte.

In dieser Posse wurde auf groteske Weise zweierlei deutlich: Zum einen hat sich Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren so verändert, dass man auch in konservative Milieus die Einwanderungsgesellschaft akzeptiert hat. Wer's nicht glaubt, möge vergleichen, wie damals in der FAZ oder der Welt zum Thema kommentiert wurde. Oder einen Blick auf die Führung der CDU werfen, wo es keine Figuren wie Alfred Dregger oder Roland Koch mehr gibt, aber dafür einen wie Generalsekretär Peter Tauber, der am Freitag twitterte: „Ich finde ja, es geht die Politik nichts an, ob ich zu Hause lateinisch, klingonisch oder hessisch rede.“

Andererseits gibt es Widerstände gegen diese Entwicklung, wovon der Zuspruch für bestimmte Sachbuchautoren ebenso zeugt wie der Erfolg der AfD oder die gerade die Demonstrationen in Dresden oder Ostberlin. Und selbst dort verpackt manch einer seine Ressentiments als Klage über „mangelnde Integration“.

Integration in die Volksgemeinschaft

In einer pluralistischen Gesellschaft aber kann Integration nur zweierlei bedeuten. Im positiven Sinne die Möglichkeit der politischen und kulturellen Teilhabe und des sozialen Aufstiegs (woran es in Deutschland immer noch gewaltig hapert). Und im negativen Sinne die Selbstverständlichkeit, dass auch die Neubürger ihre Steuern zahlen, die Verkehrsregeln befolgen und die Gesetze achten müssen. (Okay, kriegt nicht jeder hin, wer wüsste das besser als die CSU?)

In dem kulturalistischen Blödsinn aber, den man hierzulande so gerne draufpackt, drückt sich etwas anderes aus: der Wunsch nämlich, wenn man die Einwanderung schon nicht rückgängig machen kann, wenigstens ihre Spuren restlos zu beseitigen. Zugrunde liegt dem die Vorstellung von einer homogenen Gesellschaft, der sich die Einwanderer einzufügen haben. Eine moderne, kapitalistische Gesellschaft aber ist nicht homogen. Homogen ist nur (und auch nur in der Ideologie) die Volksgemeinschaft, in der es eben nicht genügt, Steuern zu zahlen, Verkehrsregeln zu befolgen und Gesetze zu achten, und in der man, wie es der große Wolfgang Pohrt einmal formulierte, obendrein mitsingen und mitmachen muss.

Darum ist es mit der Sprache nicht getan. Selbst wenn alle Ausländer künftig am Küchentisch nicht mehr Ausländisch reden würden, sondern Deutsch (oder halt das, was man in der CSU dafür hält), würde irgendeinem Hinterwäldler auffallen, dass viele Ausländer weiterhin an den Propheten Mohammed oder an gar keinen Gott, nicht jedoch an die heilige Katholische Kirche glauben, dass sie womöglich lieber Hande Yener als Helene Fischer hören, sich für Fenerbahçe und Galatasaray einen Tick mehr interessieren als für den FC Bayern und den BVB und partout nicht Dirndl und Lederhosen tragen wollen.

Lauter Fälle von Integrationsverweigerung, die dringend geregelt werden müssen. Integration ist nämlich erst dann vollendet, wenn man die Ausländer kein bisschen von den Vollhorsten von der CSU unterscheiden kann.

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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