SPD-Politiker über TTIP und Ceta: „Es darf keine Paralleljustiz geben“

Rechtsexperte Harald Baumann-Hasske von der SPD will die EU-Abkommen mit Kanada und den USA neu verhandeln. Sigmar Gabriel sieht er in einem Dilemma.

„Die Verträge mit den USA und Kanada dienen als Blaupause für andere Abkommen.“ – Wandbild in Köln Bild: dpa

taz: Herr Baumann-Hasske, haben Sie nicht Angst, dass Sie Ihren SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel beschädigen?

Harald Baumann-Hasske: Ja, natürlich haben wir die Sorge, dass wir Gabriel beschädigen. Aber die Debatte über die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA ist zu grundlegend, als dass wir uns nur taktisch verhalten könnten.

Gabriel will den Investorenschutz, Sie lehnen ihn ab. Bleiben Sie da kompromisslos?

Bei den privaten Schiedsgerichten kann es keine Kompromisse geben. Sie sind eine gefährliche Paralleljustiz. Ich bin selbst Rechtsanwalt, deswegen mag es etwas komisch klingen: Aber es ist keine gute Idee, Schiedsgerichte in internationalen Verfahren mit drei Anwälten zu besetzen. Denn Anwälte lernen in ihrem gesamten Berufsleben, Interessen zu vertreten. Sie sind nicht unabhängig wie Richter.

Sie leiten die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen und Juristinnen. Sind dort alle Ihrer Meinung?

Die Lage bei uns ist etwas kurios. Wir sind uns alle einig, dass man Schiedsgerichte beim Investorenschutz ablehnen muss. Auf unserer Jahrestagung im November haben wir uns nur noch gestritten, ob man die Verhandlungen ganz abbricht. Oder ob man versucht, in den laufenden Verhandlungen das Mandat zu verändern.

Wofür war die Mehrheit?

Es war ganz eindeutig: kompletter Abbruch der Verhandlungen – um von vorn neu zu beginnen. Bei den Freihandelsabkommen gibt es ja nicht nur das Problem Investorenschutz. Auch die sozialen und ökologischen Fragen sind zu wenig berücksichtigt.

leitet die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen und Juristinnen.

Gabriel argumentiert, Europa verliere den Anschluss an den globalen Handel, wenn es alle Abkommen torpediert.

Wir sind nicht gegen Freihandelsabkommen. Es ist eine Chance, die Globalisierung zu gestalten. Aber die Verträge mit den USA und Kanada dienen als Blaupause für andere Abkommen, die schon in der Pipeline sind. Etwa mit China und Indien. Deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt nicht einen Investorenschutz akzeptieren, der zu einer Paralleljustiz für transnationale Konzerne führt.

Immer wieder werden Firmen im Ausland enteignet. Sollte man sie nicht besser schützen?

Es gibt Staaten, wo jeder politische Wechsel bedeuten kann, dass es zu Enteignungen kommt. Aber für solche Fälle sind private Schiedsgerichte falsch – stattdessen müsste es einen Internationalen Gerichtshof für Investorenschutz geben. Mit Richtern, die unabhängig sind.

Warum hört Gabriel nicht auf den juristischen Sachverstand in der SPD?

Er befindet sich in einem Dilemma. In Deutschland bekommt er eine Menge Druck – aber die meisten seiner 27 EU-Kollegen sind für die Freihandelsabkommen und wollen nicht neu verhandeln. Vor allem der Vertrag mit Kanada soll nicht angerührt werden, weil er schon fertig ist.

Gabriel will den SPD-Parteikonvent über den Vertrag mit Kanada abstimmen lassen. Er wirkt siegesgewiss, dass er die Mehrheit hinter sich hat.

Es wird eine kontroverse Debatte geben, klar. Aber beim letzten Konvent waren die Mehrheiten eindeutig – gegen diese Schiedsgerichte.

Diese Mehrheit könnte aber kippen. Viele Sozialdemokraten dürften Angst haben, dass es bei einem Nein zu den Freihandelsabkommen wieder heißt: „Die SPD hat keine Ahnung von Wirtschaft.“

Natürlich werden wir dieses Klischee wieder um die Ohren gehauen bekommen. Aber man sollte die Wähler nicht unterschätzen: Viele haben die Gefahren der Freihandelsabkommen schon genau durchschaut.

Fürchten Sie, dass Grüne und Linke punkten könnten, wenn die SPD den Investitionsschutz durchwinkt?

Es geht hier um die Sache, nicht um taktische Abgrenzung.

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