Kommentar G20-Gipfel: Bankenaufsicht kann nur versagen

Beim G20-Gipfel wurden neue Regeln für den Finanzmarkt beschlossen. Die Bankenlobby hat sich trotzdem komplett durchgesetzt.

Eine Physikerin wie Angela Merkel müsste mehr von Mathe verstehen: Kleine Verluste genügen, damit die Banken wieder pleite sind. Bild: reuters

Vielleicht weiß sie es nicht besser, aber Kanzlerin Merkel hat gelogen. Auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane verkündete sie, dass es „nie wieder notwendig“ sein werde, systemrelevante Pleitebanken mit Steuergeld zu retten. Das ist Quatsch. Zwar gibt es jetzt viele neue Regeln für die Finanzbranche, aber die Bankenlobby hat sich trotzdem komplett durchgesetzt.

Der Siegeszug der Banken beginnt schon damit, dass viele Teile der Finanzbranche gar nicht reguliert sind. Dies gilt etwa für die sogenannten Schattenbanken wie Geldmarktfonds und Hedgefonds. Auch der „Repo-Markt“ ist kaum von der Aufsicht erfasst. Repo-Geschäfte funktionieren wie kurzfristige Kredite und werden zwischen Banken und Schattenbanken abgewickelt. Das Volumen beträgt zwischen 3 Billionen und 5 Billionen Dollar täglich, aber genau weiß es niemand – eben weil sich diese Geschäfte weitgehend im Dunkeln abspielen.

Zudem sind die Vorschriften, die es gibt, völlig verfehlt. Die Politik hat versucht, mit komplexen Vorgaben auf einen komplexen Markt zu reagieren. Da kann die Aufsicht nur versagen. Ihr fehlt das Personal und das Fachwissen, um verschachtelte Derivatprodukte verstehen und kontrollieren zu können.

Man hätte einen völlig anderen Ansatz wählen müssen – nämlich eine Art Positivliste. Dann wären nur noch Bankprodukte erlaubt worden, die einen nachweisbaren Nutzen für die Realwirtschaft haben. Wenige Standardderivate hätten gereicht, und der Rest wäre verboten worden. Punkt.

Die Banken haben sich ein Geschäftsmodell gesichert, das Millionenboni abwirft: Auf dem unkontrollierten Repo-Markt können sie sich Geld besorgen, um mit Derivaten zu spekulieren, die die Aufsicht nicht versteht. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die nächste Finanzkrise ausbricht.

Jetzt kommt aber das Beste: Die Banken besitzen gar keine Verlustpuffer für den Fall, dass eine Krise zuschlägt. Die Finanzlobby hat es geschafft, dass selbst Rieseninstitute wie die Deutsche Bank kaum Eigenkapital benötigen: Aktien und zurückbehaltene Gewinne machen nur 3 Prozent der Bilanzsumme aus.

Eine Physikerin wie Angela Merkel müsste eigentlich verstehen, was diese Minizahl mathematisch bedeutet: Kleine Verluste genügen, damit die Banken wieder pleite sind – und der Steuerzahler aushelfen muss.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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