ARD-Film "Bis nichts mehr bleibt": Scientology schlägt zurück

Die Psycho-Sekte wirft der Hamburger Sektenbeauftragten Ursula Caberta vor, bei dem Fall, der dem scientology-kritischen Film "Bis nichts mehr bleibt" zugrunde liegt, eine prominente Rolle gespielt zu haben.

Bild: dpa

In den Katakomben der Hamburger Scientology-Zentrale läuft stumm ein Werbefilm, der von einem Jungen handelt, der nicht nur zusieht, wenn Unrecht geschieht, sondern eingreift. So sehen sich die Scientologen selbst, so möchten sie gesehen werden. Was aber, wenn ihnen selbst Unrecht geschieht? In der Vergangenheit schickte die Organisation ihre Anwälte los, und oft ging es dabei um Ursula Caberta, Hamburgs Sektenbeauftragte und erklärte Scientology-Gegnerin. Die Prozessakten dürften inzwischen mehrere Meter hoch sein. Mal gewann Scientology, mal Caberta, die Lage ist unübersichtlich.

Bei dem ARD-Film "Bis nichts mehr bleibt", der nächsten Mittwoch ausgestrahlt wird und bei dem Caberta als Beraterin tätig war, hat Scientology eine neue Strategie gewählt. Die Presse ist eingeladen, es gibt Häppchen und einen Gegenfilm, den die Organisation ins Internet stellen will. "Keiner bei der ARD hat mit uns geredet", sagt der Sprecher von Scientology Deutschland, Jürg Stettler, der eigens aus München angereist ist. Seiner Meinung nach handelt es sich bei dem Film um "Kampagnen-Journalismus".

"Bis nichts mehr bleibt" erzählt die Geschichte eines Mannes, der bei Scientology aussteigt und danach versucht, seine fünfjährige Tochter aus den Fängen der Sekte zu befreien. Vorbild war der Fall des Hamburger Scientology-Aussteigers Heiner von Rönn, der 2002 und 2003 versuchte, das Sorgerecht für seinen Sohn zu bekommen. Der lebte bis dahin bei seiner Mutter, die bei Scientology geblieben war und den Sohn auf ein Scientology-Internat nach Dänemark schickte.

In dem Gegenfilm weist Scientology darauf hin, dass der Sohn 15 Jahre alt war, als der Vater begann, um ihn zu kämpfen. Man konnte ihn also direkt fragen, und er wollte bei seiner Mutter bleiben. Das habe der Junge "deutlich und eindeutig erklärt", schreibt das Hamburger Familiengericht in seinem Beschluss, mit dem es das Sorgerecht der Mutter zusprach.

Das Jugendamt hatte zuvor festgestellt, dass die Befürchtungen des Vaters, er könne den Kontakt zu seinem Sohn verlieren, weil die Mutter ihn als Scientology-Feind darstelle, nicht begründet seien: "Im Gegenteil konnte festgestellt werden, dass der Junge sehr wohl Kontakte zu seinem Vater haben möchte."

"Bis nichts mehr bleibt" wurde vom SWR gedreht. Der Film kostete 2,5 Millionen Euro und wird am kommenden Mittwoch, 20.15 Uhr, in der ARD ausgestrahlt.

Aus Angst vor etwaigen Gegenaktionen von Scientology wurden die Dreharbeiten geheim gehalten. Sie liefen unter dem Arbeitstitel "Der Tote im Sund".

Das Fernsehteam fühlte sich dennoch verfolgt. Es gab anonyme Anrufe, das Auto von Regisseur Niki Stein wurde aufgebrochen.

Wer hinter den Aktionen steckte, ist nicht bekannt. Scientology hat die Täterschaft bestritten.

Laut Scientology war der Vater des Jungen von Ursula Caberta beraten worden. Caberta sei vor dem Gerichtssaal aufgetaucht und habe einer Mitarbeiterin des Jugendamtes eine Szene gemacht. "Ich bin durchaus jemand, der klare Worte findet", sagt Caberta dazu. Es gehöre zu ihren Aufgaben, Aussteiger zu beraten, in diesem Fall habe sich der Vater an sie gewandt. "Was er dann daraus macht, ist seine Sache. Wir sind schließlich nicht Scientology", sagt Caberta.

Bei dem Internat hinter der dänischen Grenze, auf das der Sohn geschickt worden sei, handele es sich um eine "Drill-Station der Scientologen", sagt Caberta. Das habe sie dem Familiengericht gesagt, in einer Stellungnahme, um die sie gebeten worden sei. Der Abschluss des Internats werde nicht anerkannt. Schon öfter hätte Scientology versucht, in Deutschland Schulen zu gründen, es sei ihr aber nie gelungen. Das Internat in Dänemark kommt auch in dem ARD-Film vor.

Im Scientology-Film sagt der Sohn, er habe den Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Er habe das Gefühl gehabt, dass ihm sein Recht genommen werden sollte, sich selbst zu entscheiden. Für Freitag und Samstag hat Ursula Caberta Scientology-Aussteiger aus den USA zu einer Vortragsreihe eingeladen. Unter den Rednern ist auch Heiner von Rönn, der Vater, der seinen Sohn verloren hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.