Kommentar Flüchtlingskonferenz: Keine Bildung, keine Zukunft

Endlich wird über eine effektive Syrien-Hilfe gesprochen. Besonders die Unterstützung von Kindern kann zu einer friedfertigeren Welt führen.

Syrische Kinder in einem Flüchtlingslager im Libanon Bild: dpa

Seit mehr als drei Jahren bombardiert das Assad-Regime fast ganz Syrien. Seit drei Jahren sind nicht Hunderttausende, sondern Millionen Syrer auf der Flucht. Und nun reagiert auch die deutsche Regierung. Prima.

Natürlich hat das Außenministerium, das in Berlin zum großen Flüchtlingsgipfel einlud, schon zuvor Syrienhilfe geleistet. Doch angesichts des Ausmaßes der humanitären Katastrophe war diese unangemessen, ja fast zynisch punktuell.

Deutschland und die EU-Länder nehmen ein Prozent der Flüchtlinge aus Syrien auf. Noch einmal langsam zum Mitspüren: 1 Prozent. Großbritannien hat bislang 54 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Last tragen damit die Nachbarländer. Seit zwei Jahren ist der Kollaps des Libanon absehbar, Ähnliches droht Jordanien. Und selbst die stabile Türkei kann die mit den Geflüchteten einhergehenden sozialen Spannungen nicht mehr schultern.

Was muss passieren, jetzt, nachdem die Bundesregierung und vielleicht auch das ein oder andere EU-Land begreifen, dass ihre Strategie des Aussitzens und des Aufgebens von 22 Millionen Syrern keine Stabilität bringt?

Wie Frank-Walter Steinmeier richtig anmerkte, soll nun die Infrastruktur der Nachbarstaaten unterstützt werden. Wichtig dabei ist, dass die EU-Länder in großem Maßstab Schulen einrichten. Auch das Bundesministerium für Entwicklung ist hier gefragt. Über die Hälfte der Flüchtenden sind Kinder. Nein, das ist kein Tränendrüsenargument.

Wenn man 5 Millionen Kindern – die Flüchtenden aus dem Irak noch gar nicht mitgezählt – eine Zukunftsperspektive vorenthält und zu Analphabeten macht, werden sie in ihrem Elend die ganze Region auf Jahrzehnte hin destabilisieren. Nicht weil der Araber ein geborener Terrorist ist, sondern weil Menschen eine Zukunft brauchen, um sich produktiv verhalten zu können. Doch Vorsicht. Tappen wir nicht in die Falle, die syrischen Kinder nur als Sicherheitsrisiko zu sehen. Sie sind eine Chance. Denn sie werden nicht vergessen, dass ihnen der Westen am Ende dann doch noch half.

Auch Deutschland hat verantwortungslos lange abgewartet – trotzdem ist die von uns verlassene Generation keine verlorene. Wenn wir endlich systematisch helfen. Dann würde Deutschland und vielleicht auch die EU doch glatt in die Zukunft einer friedfertigen Welt investieren.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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