Kommentar „Hooligans gegen Salafisten“: Frischzellen für Neonazis

Die Hooligans marschierten gegen Andersdenkende und Ausländer, nicht gegen Salafisten. Sie wurden unterschätzt – das passiert nicht noch mal.

Blut und Boden: „HoGeSa“-Shirt. Bild: dpa

Für die deutsche Naziszene war die Kölner Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) ein Glücksfall. Einen Aufmarsch dieser Größenordnung mit nahezu ungehinderter Bewegungsfreiheit hat die extreme Rechte seit Jahren nicht erlebt. Der Kreislauf ständiger Frustration durch antifaschistische Blockaden und strikte polizeiliche Maßnahmen wurde – zumindest dieses Mal – durchbrochen. Das neue Selbstbewusstsein zeigte sich in einer lange nicht gesehenen Aggressivität und offensiv vorgetragenen Parolen wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“.

Es sind keine unpolitischen Fußballrowdys, die da auf die Straße gingen, auch wenn viele Teilnehmer nicht organisiert sein mögen. An der ideologischen Richtung, besonders ihrer Anführer, besteht kein Zweifel. Schon der Name der „Bewegung“ spielt bewusst mit Szenecodes. Die Chemnitzer Hooligangruppierung „HooNaRa“, also „Hooligans, Nazis, Rassisten“, dürfte sich von den „HoGeSa“ angesprochen fühlen.

Der vorgebliche Kampf gegen radikale Islamisten dient dabei nur als Deckmantel für die Zurschaustellung aggressiver Deutschtümelei. Gesprochen wird von „Salafisten“, gemeint sind Ausländer, Linke und alle, die nicht in ihr begrenztes Weltbild passen. In den Stadien der Republik haben rechtsoffene Hooligangruppen ihre einstige Vormachtstellung längst eingebüßt; ihr Comeback auf der Straße scheint wie ein Ausweg aus der eigenen Bedeutungslosigkeit.

Das rechtsextreme Politikspektrum erhofft sich von dem Mob die lang ersehnte Frischzellenkur. Endlich raus aus der Defensive, das ist die Hoffnung von NPD über Die Rechte bis zur freien Kameradschaftsszene. Sie alle waren in Köln mit auf der Straße und werden um jeden Preis versuchen, die Dynamik aufrechtzuerhalten. Geplant ist bereits die nächste Provokation: eine Demonstration am 9. November in Berlin, dem Tag der Reichspogromnacht.

Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Ereignisse von Köln einen anhaltenden Aufbruch einläuten. Zwei vor sich hin siechende Szenen haben lediglich die Chance genutzt, die sich ihnen durch die Unterschätzung vonseiten der Staatsmacht und des politischen Gegners bot. Doch damit wird es nun vorbei sein. Sobald die Handlungsfähigkeit auf den Demonstrationen durch Polizei und Blockaden auf ein Minimum reduziert wird, wird sich der weniger ideologische, aber gewaltaffine Teil der Hooligans verabschieden.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

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