Interview zum AfD-Wahlerfolg: „Fremdenfeindlich aufgeladen“

Die Rechtspopulisten haben in Ostbrandenburg erfolgreich vorhandene Ressentiments bedient, sagt der Politologe Oliver Kossack.

AfD-Bundeschef Bernd Lucke am Wahlabend Mitte September in Potsdam Bild: dpa

taz: Herr Kossack, Sie leben seit acht Jahren in Frankfurt (Oder). Sind Sie in der Zeit Opfer eines Verbrechens geworden?

Oliver Kossack: Nein.

Die AfD hat bei der Landtagswahl im September in der Grenzregion überdurchschnittlich viele Stimmen bekommen. Im Wahlkampf hat sie die grenzüberschreitende Kriminalität thematisiert. Ist es wirklich so schlimm?

Entlang der Grenze zu Polen gibt es überdurchschnittlich viele Eigentumsdelikte, insbesondere Auto- und Fahrraddiebstähle, aber auch Einbrüche in Wohnungen und Gärten. Das beschäftigt die Menschen hier. Die AfD hat das fremdenfeindlich aufgeladen und für sich genutzt.

Auch die CDU hat mehr Polizei gefordert und wurde bei der Wahl von der AfD überholt. Warum ist die neue Partei in und um Frankfurt so erfolgreich?

Dafür gibt es mehrere Faktoren. Das Thema Grenze ist einer davon. Auch mit der Asylpolitik hat die Partei hier erfolgreich vorhandene Ressentiments bedient. Im Vorfeld der Wahl hatte die Landesregierung angekündigt, dass in Frankfurt dauerhaft eine Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge eingerichtet wird. Das hat die Partei genutzt, um einer pauschalen Kriminalisierung von Flüchtlingen Vorschub zu leisten. Und mit ihrer eurokritischen Grundhaltung findet sie auch bei der gehobenen Mittelschicht Anhänger.

Ist Frankfurt etwas Besonderes?

Einerseits gibt es in Deutschland ein Potenzial von bis zu 20 Prozent der Wählerschaft mit ausländerfeindlichen Einstellungen. Das ist auch in Frankfurt so. Themen wie die Unterbringung von Asylbewerbern oder die Grenze zu Polen wurden unter anderem durch die AfD immer damit in Verbindung gebracht und als sicherheitspolitisches Problem thematisiert. Andererseits war es sicher auch nicht hilfreich, dass sich die Lokalpolitik in diesem Jahr monatelang selbst lahmgelegt hat. Außerdem hat die Region einige Rückschläge hinter sich: erst das Fiasko mit dem Halbleiterwerk und dann der Zusammenbruch der Solarindustrie. Da sind viele Hoffnungen enttäuscht worden.

28, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für vergleichende Politikwissenschaft an der Europa-Uni Viadrina. Schwerpunkt: rechte Parteien.

Wird sich die AfD im Osten Brandenburgs etablieren?

Sie hat gute Chancen, sich zu halten, wenn sie ihre ideologischen Strömungen vereinen kann. Auch deutschlandweit. Wenn der ärmere Teil ihrer Wählerschaft aber bemerkt, dass sie im Kern eine Partei zur Förderung von Machteliten ist, könnte sie an Zustimmung verlieren. In Frankfurt hat sie schon gefordert, dass Hartz-IV-Empfänger als „Hilfspolizei“ eingesetzt werden.

Wie wirkt sich die AfD auf das Verhältnis zu den polnischen Nachbarn aus?

Die AfD vor Ort sieht Slubice nicht als Partner, sondern als Konkurrenz. Sie fordert, die Zusammenarbeit einzuschränken. Allerdings lehnen das alle anderen Parteien in der Stadtpolitik ab. Die Diskussion wird auf der polnischen Seite mit Sorge beobachtet.

Dieses Interview ist Teil des Wochenendschwerpunkts in der taz.Berlin. Darin außerdem: Eine große Reportage aus Frankfurt (Oder). In Ihrem Briefkasten und am Kiosk.

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