Performing Arts: Ein Theater taucht ab

Autorenpreisträger Arne Vogelgesang und „internil e. V." zeigen "Untergrund" - eine verstörende Performance zum NSU-Terror.

Ein Plakatentwurf - oder der Fake eines Plakatentwurfs fürs fiktive real*theater*kollektiv? Bild: internil

BREMEN taz | Der „internil Verein zur Untersuchung Sozialer Komposition“ e. V. zeigt in der Schwankhalle „Untergrund“, eine theatrale Annäherung an den NSU, den Nationalsozialistischen Untergrund. Aber: Läuft da nun eigentlich wirklich ein Stück von „internil“?

Oder stimmt, was „internil“ uns erzählen? Dass sie gleichsam gekapert wurden von einem etwas ominösen „real*theater*kollektiv“ (RTK), das ein Stück über den Nationalsozialistischen Untergrund machen und damit „einen kollektiven Untergrund des deutschen Bewusstseins freilegen“ wollte?

Dabei setzt sich jenes Kollektiv, wie wir erfahren werden, in schönstem RAF-Kassiber-Duktus offenbar selbst in den Untergrund ab, um nicht der bürgerlichen Gesellschaft einen weiteren „Theaterpopel“ zu kredenzen. Davon gab es ja so einige: in Frankfurt, München, Karlsruhe, Braunschweig, Köln. Manche, die unter Materialmassen ächzten, andere, die sich davon bewusst abschotteten. Vielleicht also muss man dem anders beikommen.

Beginn vor der Deutschlandfahne

Der Abend beginnt vor der Deutschlandfahne, wo ein Mann, der sich als Arne Vogelgesang vorstellt, in autonomem Schwarz mit Palituch, einen kurzen Abriss zum NSU referiert, vom RTK erzählt und von dessen rätselhaftem Verschwinden samt einem beträchtlichen Teil des Produktionsbudgets, derweil auf der großen Leinwand Ausschnitte aus der Korrespondenz mit der Schwankhalle zu sehen sind: „… Verständnis für die Situation … müssen wir aber auf einer Umsetzung bestehen“ – was Vogelgesang, scheinbar peinlich berührt, kommentiert: „Das wollten wir jetzt eigentlich nicht zeigen.“

Lediglich einen USB-Stick jedenfalls habe das RTK hinterlassen. Dessen mutmaßlicher Inhalt spielt im Folgenden gewissermaßen die Hauptrolle, wobei die Handlung fast nur noch auf großer Leinwand stattfindet und nie ganz sicher zu sagen ist, ob etwas von dem, was da zu sehen ist, und wenn ja, was wirklich live ist: Das Theater verschwindet in seiner medialen Repräsentation.

Niemand ist da zu beklatschen

Das ist natürlich ein durchaus didaktischer Fingerzeig, indem die Inszenierung die mediale Repräsentation des NSU reflektiert, aber auch stets einen Rest Geheimnis lässt, womit dieses Stück ja erstaunlich nah an der Wirklichkeit ist.

Da tauchen Fahndungsfotos des NSU in einem Fernsehkrimi auf, als Bilder der Mitglieder einer islamistischen Terrorzelle, da scheint die mehr als zweifelhafte Rolle von Verfassungsschutz und Polizei auf, Verschwörungstheorien und ein Video der schon untergetauchten Beate Zschäpe beim Aerobic auf Usedom. Das Ende setzt dazu die verstörende Pointe: Die Deutschlandfahne weht, das Theater ist verschwunden. Niemand lässt sich beklatschen.

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