Kopftuchverbot in christlicher Klinik: Ein haariges Urteil

Evangelische Einrichtungen dürfen muslimischen Krankenschwestern verbieten, ein Kopftuch zu tragen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht.

Kompromissbereit: „Ich akzeptiere jede Art der Kopfbedeckung“, sagte die Klägerin vor Gericht. Bild: dpa

ERFURT taz | Wer in einer evangelischen Einrichtung arbeitet, darf grundsätzlich kein Kopftuch tragen. Das entschied nun das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Muslimische Krankenschwestern müssten sich in christlichen Krankenhäusern neutral verhalten und dürften ihre „abweichende Religionszugehörigkeit“ nicht kenntlich machen.

Geklagt hatte eine 36-jährige Krankenschwester aus Bochum. Sie arbeitet seit 1996 bei der evangelischen Augusta-Kranken-Anstalt. Schon als 18-Jährige hatte sie dort ihre Ausbildung gemacht. Als sie 2009 ihre zweite Elternzeit beendete, wollte sie mit Kopftuch arbeiten, doch das Klinikum lehnte das wegen seiner „konfessionellen Ausrichtung“ ab. Eine Mitarbeiterin müsse sich loyal verhalten und alles unterlassen, was als gegen die evangelische Kirche gerichtete Meinungsäußerung angesehen werden könnte.

Das Arbeitsgericht Bochum entschied 2010 zugunsten der Krankenschwester, ihre Glaubensfreiheit habe Vorrang. Das Landesarbeitsgericht Hamm urteilte 2012 dagegen zugunsten des Krankenhauses. Vorrang habe das ebenfalls im Grundgesetz geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Die Mitarbeiterin könne das Kopftuch ja in der Freizeit und auf dem Weg zur Arbeit tragen. Wenn die Kirche auch Kopftücher in evangelischen Krankenhäusern zuließe, könnte ihre Glaubwürdigkeit leiden. „Es könnte der Eindruck entstehen, die Kirche erachte Glaubensäußerungen in beliebiger Weise für akzeptabel und austauschbar“, so das Hammer Gericht.

Dagegen ging die Frau in die Revision. Sie nahm auch persönlich an der Verhandlung in Erfurt teil, im schwarzen Mantel und mit blau-rot schimmerndem Kopftuch. Als Grund für ihren Wunsch, auch bei der Arbeit das Kopftuch zu tragen, nannte sie zweierlei. Einerseits wolle sie zeigen, dass sie sich „zum Islam zugehörig“ fühle. Zum anderen wolle sie ihre „weiblichen Reize“ bedecken. „Ich will zeigen, dass ich für Männeraugen nicht zu haben bin“, sagte sie.

„Ich akzeptiere jede Art der Kopfbedeckung“, betonte sie vor Gericht und zählte auf, welche Kompromissvorschläge sie schon gemacht habe. „Ich könnte ein kleines Kopftuch tragen, farblich auf die Schwesternuniform abgestimmt.“ Es müsse nicht einmal ein Kopftuch sein, auch eine Kappe wäre in Ordnung.

„Ich bin außerdem bereit, mich zur OP-Schwester weiterzubilden, denn im Operationssaal müsste ich immer eine Haube tragen.“ Sie könne sogar eine christliche Nonnenhaube tragen. Doch all dies sei abgelehnt worden.

25.000 Euro Abfindung angeboten

Auch in der Erfurter Verhandlung blieb der Anwalt des Krankenhauses, Sascha Leese, unbeeindruckt: „Wenn auf einer normalen Station eine einzelne Schwester eine Kopfbedeckung trägt, fällt das doch auf.“

Die 36-Jährige ist formal immer noch beim Bochumer Krankenhaus beschäftigt. Die Klinik hat ihr bisher nicht gekündigt. Sie findet allerdings auch keine andere Arbeit. „Ich komme mir vor, als sei ich vorbestraft“, sagte sie in der Verhandlung.

Das Gericht regte zunächst einen Vergleich an. Dazu waren die Positionen jedoch zu weit auseinander. Die Klägerin verlangte mindestens die Hälfte des seit 2009 entgangenen Lohns, rund 75.000 Euro. Das Klinikum bot eine Abfindung von maximal 25.000 Euro an.

Am Ende entschied das Gericht grundsätzlich zugunsten der Klinik. Der Vorsitzende Richter, Rudi Müller-Glöge, verzichtete allerdings auf eine ausführliche mündliche Begründung.

Wegen kleinerer formaler Probleme wurde der Rechtsstreit auch noch einmal an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen. So müsse die Augusta-Kranken-Anstalt noch nachweisen, dass sie wirklich eine evangelische Einrichtung ist. (Az.: 5 AZR 611/12)

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