NSU-Prozess in München: Alimente für Neonazi-Boss

Die Vernehmung von Tino Brandt zeigt, wie sehr der Verfassungsschutz die rechte Szene stützte. Rund 200.000 Mark soll er erhalten haben.

NSU-Prozess: Neonazi Brandt traf sich jede Woche mit dem Verfassungsschutz. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Sie gaben Geld für politische Aktionen, bezahlten Geräte, warnten vor polizeilichen Maßnahmen, lieferten Informationen gegen die Antifa-Szene, übernahmen Anwaltskosten und wollten nichts von Straftaten wissen. „Ich denke, ohne das Geld des Landsamtes für Verfassungsschutz Thüringen (LfVT) hätte der Thüringer Heimatschutz (THS) nicht diese Größe und bundesweite Bedeutung bekommen“, sagte Tino Brandt vor dem Oberlandesgericht München.

Der Thüringer Heimatschutz ist der Zusammenschluss rechter Kameradschaften in Thüringen. Aus diesem Netzwerk kam das spätere Trio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.

Am Mittwochvormittag war im NSU-Verfahren die Befragung des früheren Chef des THS und langjährigen V-Mannes des Thüringer Verfassungsschutzes fortgesetzt worden. Am 143. Verhandlungstag drehten sich fast alle Fragen der Verteidiger und Nebenkläger um die Zusammenarbeit Brands mit dem Geheimdienst, die von 1995 bis Juli 2000 lief.

Einmal wöchentlich traf er sich in der Regel mit seinem V-Mann-Führer, berichtet der 39-Jährige. Bei Anschaffungen wie von Computern habe er dort Kostenvoranschläge eingeholt und später das benötigte Geld bekommen. Rund 200.000 Mark soll er insgesamt vom Verfassungsschutz erhalten haben. Bei den Treffen seien ihm auch Antifa-Zeitungen übergeben worden. Zwei, drei Mal hätte man ihn vor Durchsuchungen gewarnt.

„Ich halte die NSU-Mordgeschichte für nicht wahr“, sagte Brandt. Er glaube auch nicht, dass „die beide Uwe's die Morde“ begangen hätten, antwortete er Nebenkläger Mehmet Daimagüler. „Ich halte den Prozess für einen Schauprozess.“

Seit seiner ersten Vernehmung versucht Brandt den THS als gewaltfreie Jugendgruppe von über 100 Anhängern darzustellen. Nebenklägerin Seda Basay konfrontiere Brandt mit Bildern von einem von ihm gepachteten Garten bei Kahla, wo Einschüsse im Gartenhaus zu sehen waren. Zwei direkte Nachbarn sagten der Polizei, so Basay, Brandt aber auch Böhnhardt dort bei Schießübungen gesehen zu haben.

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