Russisch-chinesische Gaspipeline: Putins neue Freunde

Russland knüpft mit dem Bau einer gigantischen Pipeline enge Bande mit China. Der Kremlchef spricht vom „größten Bauprojekt der Welt“.

Wladimir Putin signiert das erste Segment der russisch-chinesischen Gaspipeline. Bild: reuters/RIA Novosti

MOSKAU taz | Die Feierlichkeiten zum Baubeginn der russisch-chinesischen Gaspipeline im Osten Sibiriens diese Woche waren für Wladimir Putin mehr als nur eine der üblichen Einweihungszeremonien. „Wir starten das größte Bauprojekt der Welt“, sagte der Kremlchef mit Blick auf die Dimension des Bauvorhabens.

Von den Erdgasfeldern in Jakutien bis an die chinesische Grenze beim russischen Blagoweschtschensk sind allein 4.000 Kilometer zu überbrücken. Worauf der Präsident tatsächlich abhob, war die symbolische Wirkung der Aktion in Anwesenheit von Chinas Vizepremier Zhang Gaoli. Ein „Symbol der großen Wende Russlands ostwärts“ nannte der Propagandasender „Stimme Russlands“ die projektierte Pipeline „Kraft Sibiriens“.

Westliche Konsumenten von Radiosender und Gas sollten schon mal kalte Füße bekommen. Nach 300 Jahren Westorientierung wendet sich Moskau dem Osten zu. Wir können auch ohne euch – war die Botschaft gen Europa.

Doch das muss sich noch zeigen. Erst 2019 sollen die Lieferungen nach China aufgenommen werden. Die Chinesen planen, im kommenden Jahr mit dem Bau der Anschlussstrecke hinter Blagoweschtschensk zu beginnen. Zunächst sollen jährlich 38 Milliarden Kubikmeter Gas nach China fließen, erweiterbar auf 64 Milliarden Kubikmeter. Im Frühjahr unterzeichneten Russland und China bereits einen Vertrag mit 30 Jahren Laufzeit. Demnach liefert Moskau für 400 Milliarden Dollar in diesem Zeitraum gut eine Billion Kubikmeter Gas.

Zweifel an der Rechnung

Ob es sich dabei um ein lukratives Geschäft handelt, wird selbst in Russland infrage gestellt. Der erzielte Preis liegt nämlich unter dem, den Russland derzeit in der EU erzielt. Überdies schlagen auch die Kosten für Erschließung der Bohrstellen und die Pipeline empfindlich zu Buche. Die Angaben variierten zunächst zwischen 20 und 55 Milliarden Dollar, die letzten Zahlen der Regierung liegen bereits bei 60 bis 70 Milliarden Dollar.

Für Waleri Nesterow, Analytiker der staatlichen Sberbank, rangieren denn auch bei dem Abkommen wirtschaftliche hinter politischen Motiven. Andere Experten hielten Rentabilität und Amortisation der „Kraft Sibiriens“ in der Nesawissimaja Gaseta genauso wenig geklärt wie die Finanzierung. Bislang konnten sich Russland und China auch noch nicht über die Modalitäten der chinesischen Beteiligung von 25 Milliarden Dollar am Bau der Rohrleitung einigen.

Zehn Jahre Verhandlungen

Zehn Jahre verhandelten Moskau und Peking über das Gesamtprojekt, da China nicht bereit war, den russischen Preis zu zahlen. Erst nach der Krim-Annexion willigte Putin auf der Suche nach neuen Verbündeten gegen Europa ein. Er kaufte Gunst mit Billiggas.

Allerdings ergibt die Orientierung gen China auch ohne geopolitische Ambitionen Sinn. Moskau muss sein Abnehmersystem diversifizieren, denn langfristig wird die Nachfrage nach russischem Gas in Europa sinken. Aus verschiedenen Gründen, die nicht nur politisch motiviert sind.

Schon die Zahlen belegen Russlands Abhängigkeit von der EU: Mit mehr als 140 Milliarden Kubikmeter russischem Gas jährlich verbraucht die EU das Vierfache dessen, was frühestens ab 2019 nach China geleitet wird. Für Europa besteht überhaupt kein Grund zur Panik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.