Cannabis: „Jetzt wird der Handel von Gangstern beherrscht“

Qualität, und zwar legal: Die Vorteile eines Coffeeshops überwiegen, meint Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes.

taz: Herr Wurth, Schwerstabhängige bekommen in Deutschland legal Heroin. Warum tut sich die Politik bei der Bewilligung von legalen Abgabestellen für Cannabis, also Coffeeshops, so schwer?

Georg Wurth: Es geht sicherlich darum, eine Art Dammbruch zu verhindern. Damit könnte ja das Tor geöffnet werden zu einer weitergehenden Legalisierung.

Was sinnvoll wäre.

Zumindest sollte ausprobiert werden, ob die Vor- oder die Nachteile überwiegen. Überwiegen die Vorteile, wovon ich ausgehe, wird es vermutlich auch anderswo Nachahmer geben.

Wozu braucht Berlin einen Coffeeshop?

Wir brauchen überall Coffeeshops. Jetzt wird der Cannabishandel von Gangstern und Schwarzmärkten beherrscht. Jeder Versuch, neue Wege auszuprobieren, ist richtig. Berlin ist dafür nicht das schlechteste Pflaster.

Existieren Schwarzmärkte nicht trotz Coffeeshops weiter?

Das ist eine Frage des Preises. Man darf die Steuern auf Cannabis nicht so hochtreiben, dass der Schwarzmarkt dann noch lukrativ ist. Bei Zigaretten sind die Steuern so hoch, dass sich der Schwarzmarkt noch lohnt. Bei Alkohol ist dieses Level noch nicht erreicht. Deshalb laufen in den Parks auch keine illegalen Schnapsdealer rum. Auch bei Cannabis würden regulierte Strukturen den Schwarzmarkt verdrängen. Auch, weil sich die Kunden auf eine vernünftige Qualität verlassen können. Im Moment ist ja doch sehr viel gestrecktes Gras unterwegs.

41, ist Diplomfinanzwirt und seit 2002 Vorsitzender des Deutschen Hanfverbandes, der Cannabis legalisieren will.

Würde ein Coffeeshop denn ausreichen, um den Görlitzer Park zu entlasten?

Um das zu bewirken, müsste man die große Lösung anstreben, also auch die Touristen in die Coffeeshops reinlassen. In diesem Fall wäre es besser, mehrere Coffeeshops einzurichten und diese über den Bezirk zu verteilen. Mein Plädoyer wäre, dass es in den Coffeeshops auch große gastronomische Bereiche gibt, die zum Verweilen einladen. Sonst kaufen die Leute dort nur ein und landen wieder massenhaft in den Parks.

Sollte man den Modellversuch auf eine bestimmte Klientel beschränken?

Beim Heroinprojekt hat man die Zahl auf 1.000 Leute beschränkt. Man wollte erst mal untersuchen, wie sich das auswirkt. Lieber ein kontrollierter Versuch, der vernünftig organisiert und umgesetzt wird.

Haben Sie, was Organisation und Umsetzung des Projekts angeht, Vertrauen zum Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg?

Fragen Sie mich nach den drei geplanten Anhörungen noch mal (lacht). Bis jetzt wissen wir noch gar nicht, was da eigentlich konkret passieren soll.

Seit der Bezirk das Vorhaben im vergangenen November angekündigt hat, ist nichts passiert. Sind Sie darüber enttäuscht?

Dass es so lange dauern würde, hätte ich nicht vermutet. Aber lieber einmal mehr nachdenken, damit wir am Ende auch Erfolge sehen, als ein Schnellschuss, der scheitert.

Was muss der Bezirk dabei alles beachten?

Da sind ganz viele Dinge zu klären: Woher kommt die Ware? Wird sie in Berlin angebaut? Kann man eine Importgenehmigung zum Beispiel aus Marokko bekommen? Welches Institut macht die wissenschaftliche Begleitstudie? Wer macht mit, was passiert mit den Daten der Beteiligten? Schleswig-Holstein hat das in den 90er Jahren schon alles sehr gut durchdekliniert. Es hat genau gezeigt, wie man das machen muss.

Der Antrag ist damals aber von der zuständigen Bundesbehörde abgelehnt worden.

Auch von der CSU, der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat sofort gesagt: Mit mir nicht. Mal sehen, wie es diesmal läuft. Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann hat bereits angekündigt, gegen eine Ablehnung zu klagen. Das hat Schleswig-Holstein damals nicht gemacht.

Was könnte man in einer Begleitstudie untersuchen?

Da gibt es eine große Bandbreite an Fragen. Das Konsumverhalten, den Gesundheitszustand. Man könnte aber auch die gesellschaftlichen Auswirkungen untersuchen. Schleswig-Holstein hat das Projekt damals auf die Einwohner seines Bundeslandes bezogen. Das wäre auch noch eine Option für Kreuzberg.

Was hieße das?

Dass nur Leute über 18 Jahre in dem Coffeeshop einkaufen können, die nachweislich in dem Bezirk wohnen. Das hätte den Charme, das man keine Touristen anlocken würde.

Dann würden alle Kiffer nach Kreuzberg ziehen.

(lacht) Dann muss schnell gebaut werden.

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