Kommentar Flugzeugabsturz Ukraine: Nichts ist anders

Sollte das malaysische Flugzeug absichtlich abgeschossen worden sein, wäre dies ein Terrorakt. Doch dafür spricht bislang nichts.

Krieg: Brand in Slowjansk nach Artillerie-Angriff. Bild: ap

Noch immer weiß niemand genau, wer für den Abschuss der malaysischen Boeing 777 am vergangenen Donnerstag verantwortlich ist. Sehr schnell allerdings waren sich internationale Kommentatoren einig: Das Ereignis, bei dem alle 298 Flugzeuginsassen ums Leben kamen, verändere den Konflikt um die Ostukraine grundlegend. Nichts sei wie zuvor, hieß es.

Wenn überhaupt, dann gilt das für den Westen. Da reagieren einige öffentliche Stimmen tatsächlich, als würden sie erst durch den Tod von Nichtukrainern begreifen, dass im Osten des Landes wirklich Krieg herrscht. Das offenbart allerdings eher die bisherige Ignoranz als eine durch den Abschuss veränderte Qualität des Konflikts.

Die wäre dann gegeben, wenn die malaysische Verkehrsmaschine absichtsvoll abgeschossen worden wäre. Wenn also, wer auch immer da Boden-Luft-Raketen bediente, wusste, dass es keine Militärmaschine der einen oder anderen Kriegspartei war. Nur dann könnte von einem internationalen Terrorakt gesprochen werden, und nur dann würde der Abschuss, egal von wem ausgeführt, tatsächlich eine neue Konfliktdimension eröffnen.

Es wäre eine Internationalisierung des Konflikts mit terroristischen Mitteln, eine unmittelbare Bedrohung zumindest für alle EU-Staaten. Dafür allerdings spricht – wenigstens nach den bisherigen Erkenntnissen – nichts.

Was der Abschuss allerdings vor Augen führt, ist eine unhaltbare Situation in der Ostukraine. Da laufen Leute mit Waffen herum und erklären sich zur Regierung einer nicht-existenten Volksrepublik, denen man schon unbewaffnet nicht einmal die Verwaltung einer 500-Seelen-Gemeinde anvertrauen würde. Solange sie aus Russland aus- und aufgerüstet werden, wird der Versuch der Regierung in Kiew, sie militärisch in die Knie zu zwingen, nicht zu einem dauerhaften Frieden führen.

Insofern stimmt politisch, was juristisch schwer zu beweisen sein wird: Die Verantwortung für das Ende von Flug MH17 trägt Russland. Erst durch die orchestrierte Destabilisierung der Region wurde der Abschuss möglich – selbst wenn er, und danach sieht es aus, ein Versehen gewesen sein mag.

Wenn jetzt im Westen aber Rufe laut werden, die Ukraine weiter aufzurüsten, ist das kontraproduktiv. Man kann Destabilisierung nicht durch Krieg bekämpfen, im Gegenteil. Auch das zeigt der Abschuss der Maschine von Flug MH17.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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