Die Wahrheit: Neues aus dem Damenbad

Das Freiburger Bad mit rein weiblicher Kundschaft ist ein Refugium der Gelassenheit und Toleranz. Nur das Schwimmen ohne Gummi wird dort nicht geduldet.

Ja, es gibt sie noch, die Urgründe sprudelnder weiblicher Kraft, großzügige Landschaften exzessiven Daseins, Bollwerke gegen die hie und da noch immer zuschnappenden Lebendfallen männlichen Dominanzgebarens. Eines dieser letzten Reservate ist das Damenbad in Freiburg. Dort, wo zupackendes Handeln umtriebiger Handwerker außerhalb der Öffnungszeiten stattfindet und nur im äußersten Ausnahmefall (Benefizkonzert!) währenddessen denkbar ist, dann aber per Aushang („Männer im Damenbad!“) mit Zweiwochenfrist angekündigt wird. („Wir wollen Sie nicht erschrecken, deshalb bitten wir, sich auf den Anblick einiger Männer im Damenbad an diesem Tag ab 18 Uhr einzustellen.“)

Dort, wo Frauen in allen Formen, Farben und Größen koexistieren – meist friedlich – und nur im äußersten Ausnahmefall (Zickenkrieg!) vom einzig regelmäßig geduldeten Mann und Hüter der Anstalt, dem Oberbademeister, in die Schranken menschlichen Miteinanders gewiesen werden. Dort, wo die Kämpfe um die Idee freien Badens (oben ohne!) in den 1970er Jahren hart, souverän und siegreich geführt wurden. Dort, ja, dort – in diesem bundesweit einzigartigen Biotop weiblichen Seins – gibt es noch etwas anderes: keinen Fernseher. Keinen Fußball. Keine Malereien auf Armen, Beinen, Wangen. Keine schwarz-rot-goldenen Cowboyhüte, Blumenketten, Irokesenperücken. Nichts dergleichen. Einfach nur Wasser. Ruhe. Frieden. Manchmal Stille. Schwimmen. Jeden Tag bis 20 Uhr, alle Jahre wieder, unbeeindruckt von den Dingen, die Nation und Erdenrund in Wallung bringen.

Irgendwo ein Tor gefallen? Hier nicht. Krieg in Israel und Palästina? Weit weg. Von Amerikanern abgehörte Deutsche? Nein danke. Hier wird geschwommen. Sonnengebadet. Liegegewiest. Und wachsam aufgepasst – abtauchen nur nach bestimmten Regeln. Eine davon lautet: oben ohne ja, ohne Gummi nein. Totales No-Go, sagt die pferdebeschwanzte Aufsichtsdame streng, als sie Mutter und Tochter mit offenen Haaren erwischt, und reicht sogleich zwei schwarze Leih-Gummis. Ordnung muss sein. Wo kämen wir hin, wenn die Zügellosigkeit sich vollends Bahn bräche?

Das Bad ist eine Pilgerstätte: Musliminnen aus Frankreich reisen in Scharen in den beschaulichen Breisgau, um im Schutze von Mauern, Hecken und Kabinen bunte Bikinis auszuführen und einheimische Badende per Beckenstehparty zum Slalomschwimmen zu zwingen. Oder die vielen älteren Damen aus dem Quartier, die im Frühjahr weißhäutig die solide Eingangstür mit der Schnörkelschrift öffnen und sie im Herbst, nach einem letzten Zusammentreffen bei Kaffee und Kuchen (auch für den Bademeister!) ledergegerbt hinter sich ins Schloss fallen lassen.

„Schön war’s“, werden sie auch diesen September wieder sagen, wenn sie ihre dauergemieteten Einzelumkleiden räumen, „bis nächstes Jahr“. Aber halt: So weit sind wir noch nicht. Erst kommt das Benefizkonzert! Und dann hoffentlich auch der Sommer zurück. Auf Wiedersehen im Damenbad.

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kari

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