Flüchtlinge im Libanon: Das Ende der Hoffnung

Lange war die Grenze für syrische Palästinenser offen. Doch für sie gelten nun verschärfte Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen.

Palästinensische Jungen in einem libanesischen Flüchtlingscamp. Bild: ap

BEIRUT taz | Khalil* starrt ins Leere und sagt: „In Syrien hatten wir ein gutes Leben. Hier werden wir wie Abfall behandelt.“ Vor über einem Jahr floh der 47-Jährige mit seiner Frau Rim* und ihren drei Kindern in den Libanon. In Syrien wohnten sie wie viele andere Palästinenser im Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus.

Syrien hatte die Palästinenser bereits 1957 als fast vollwertige Bürger anerkannt. Khalils Vater baute ein Haus für die Familie, Khalil ging arbeiten, die Kinder besuchten staatliche Schulen. Dann fielen die ersten Bomben auf Jarmuk und die Familie musste fliehen. Nun lebt sie im libanesischen Palästinenserlager Bourj al-Barajneh in Beirut.

Durch das Camp zieht sich ein Labyrinth aus dunklen, engen Gassen. Es gibt kaum Arbeit. Wohnraum ist Luxus. Viele Familien leben in heruntergekommenen Einzimmerwohnungen.

Ein Großteil der 400.000 Palästinenser im Libanon leben in insgesamt zwölf solcher Lager. Seit dem Ausbruch des Syrien-Kriegs kamen etwa 50.000 palästinensische Flüchtlinge aus dem Nachbarstaat hinzu. Ein Palästinenser hat im Libanon viel weniger Rechte als in Syrien. Das musste auch Khalils erfahren. „Meine Tochter weint jeden Tag. Sie fleht uns an, zurück nach Jarmuk zu gehen und unter den Bomben zu leben. Für uns gibt es keine Zukunft hier“, klagt Rim.

200 Dollar pro Kopf

Dabei könnten sie sich fast glücklich schätzen, es überhaupt in den Libanon geschafft zu haben. Im Mai wurden rund 30 palästinensische Flüchtlinge am Flughafen in Beirut mit gefälschten Reisedokumenten aufgegriffen und zurück nach Syrien abgeschoben. Seitdem müssen Palästinenser strenge Auflagen erfüllen, wenn sie die Grenze in den Libanon passieren wollen.

Das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bestätigt, dass seitdem bedeutend weniger Flüchtlinge einreisen durften. Auch Amnesty International liegen offizielle Informationen vor, dass Fluggesellschaften von libanesischer Seite Anweisungen erhalten haben, keine Palästinenser aus Syrien in den Libanon zu bringen.

Syrische Palästinenser können ihr Visum alle drei Monate bei den libanesischen Behörden verlängern. Nach einem Jahr müssen sie jedoch pro Kopf 200 Dollar für das Folgejahr zahlen. Da sich das viele nicht leisten können, bleiben sie illegal im Libanon, wie auch Khalils Familie. Die Angst ist da, aufgefordert zu werden, das Land zu verlassen. Die libanesische Regierung hat den illegal eingereisten Palästinensern aus Syrien nun eine Frist bis Ende Juli gesetzt, um ihren Aufenthalt zu legalisieren.

Zizette Darkazally, Pressesprecherin der UNRWA, beobachtet die Situation mit Sorge: „Niemand möchte ein Flüchtling sein. Die Palästinenser aus Syrien sind vor dem Krieg geflohen und haben alles verloren. Nun werden sie wie Kriminelle behandelt, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Visa zu bezahlen.“

Die einzige Zuflucht

Für den kleinen libanesischen Staat mit gerade mal 4 Millionen Einwohnern ist der Aufenthalt der Flüchtlinge eine große Last. UNRWA versucht, die Behörden trotzdem davon zu überzeugen, die Einreisebeschränkung für syrische Palästinenser zurückzunehmen.

„Wir sorgen für Bildung und Gesundheit. Außerdem erhält jede Familie von UNRWA 100 US-Dollar im Monat für Unterkunft und 30 US-Dollar für Verpflegung. Wir wissen, dass das nicht genug ist, aber wir sind von Spendengeldern abhängig und können nur so viel zur Verfügung stellen, wie vorhanden ist“, sagt Darkazally.

Libanon ist nahezu das einzige Zufluchtsland für syrischen Palästinenser. Jordanien verweigert ihnen seit 2012 die Einreise, der Irak ist seit dem Vormarsch der Isis keine bessere Option, und Flüchtlinge berichten, dass sie auch an der türkischen Grenze abgewiesen wurden.

Khalil hat kaum Hoffnung: „Wir Palästinenser sind ständig auf der Flucht. Wir wollen doch nur wie Menschen behandelt werden und ein richtiges Zuhause haben. Hätte ich 5.000 Dollar, würde ich über das Mittelmeer nach Europa fliehen und meine Familie nachholen.“

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