Islamistische Miliz im Irak: Isis nimmt Chemiewaffenanlage ein

Die Isis-Milizen im Irak haben laut UN eine frühere Chemiewaffenanlage besetzt. Die Raketen dort enthalten Nervengas, seien aber „kaum brauchbar“.

Im Besitz von alten Chemiewaffen: Die Isis-Miliz im Irak. Bild: reuters

NEW YORK ap/rtr | Eine frühere Chemiewaffenanlage im Nordwesten Bagdads befindet sich seit Wochen in der Gewalt der Extremistengruppe Islamischer Staat. Auf dem weitläufigen Gelände seien unter anderem 2.500 Raketen gelagert, die vor Jahrzehnten mit dem Nervengas Sarin gefüllt wurden, teilte der irakische UN-Botschafter Mohammed Ali Alhakim in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit. Das Schreiben wurde am Dienstag veröffentlicht.

Darin heißt es weiter, „Terroristen“ seien am 11. Juni in die riesige Muthanna-Anlage eingedrungen. Den Wachleuten hätten die sunnitischen Extremisten dann Waffen und Ausrüstung abgenommen. Am Morgen darauf habe der zuständige Manager auf Aufnahmen von Überwachungskameras gesehen, dass etliche Geräte geplündert worden seien. Die Angreifer hätten das Warnsystem dann jedoch abgeschaltet.

Die Gruppe Islamischer Staat kontrolliert Teile Syriens und schickte einen Teil ihrer Kämpfer im vergangenen Monat ins benachbarte Irak, wo sie rasch große Areale unter ihre Gewalt brachten. Vergangene Woche rief ihr Führer Abu Bakr al Baghdadi in den von ihm gehaltenen Gebiete ein Kalifat aus.

Iraks UN-Botschafter Alhakim wies auf die von den Extremisten eroberten Bunker 13 und 41 des Muthanna-Komplexes hin, die laut einem UN-Bericht von 2004 auch den Giftstoff Natriumcyanid enthalten, aus dem der Nervenkampfstoff Tabun hergestellt werden kann. Zudem würden dort mit Senfgas bestückte Granaten gelagert.

„Dürftige Qualität“

Als Folge der Einnahme der Muthanna-Anlage könne der Irak wegen der schlechten Sicherheitslage seiner „Verpflichtung zur Zerstörung von Chemiewaffen“ nicht nachkommen.

Der letzte umfassende UN-Bericht über den Status der Waffenbestände im Irak wurde 2004 veröffentlicht, also rund ein Jahr, nachdem die zuständigen Inspektoren das Land verließen. Demnach sind die dort befindlichen Sarin-Kampfmittel jedoch von „dürftiger Qualität“ und seien nach Jahren der Lagerung unter diesen Bedingungen kaum noch brauchbar.

Auch US-Außenamtssprecherin Jen Psaki äußerte zwar Besorgnis über die Eroberung der Chemiewaffen-Anlage, spielte dies jedoch mit Blick auf den Zustand der Kampfstoffe zugleich herunter. Das Material stamme aus den 1980er Jahren und sei dort gelagert worden, nachdem es in den 1990er Jahren von UN-Inspektoren unschädlich gemacht worden sei.

53 Leichen nahe Bagdad entdeckt

Irakische Sicherheitskräfte haben indes 53 Leichen in einem Ort südlich der Hauptstadt Bagdad entdeckt. Den Toten seien wie zu einer Hinrichtung die Augen verbunden und die Hände gefesselt gewesen, teilten die Behörden am Mittwoch in Hilla mit. Sie seien in dem Dorf Chamissija zurückgelassen worden. Wer die Menschen waren, blieb zunächst offen.

Das Dorf wird überwiegend von Schiiten bewohnt und liegt rund 25 Kilometer südöstlich von Hilla an der wichtigsten Verbindungsstraße zwischen Bagdad und den Provinzen im Süden. Seit dem Frühjahr haben sunnitische Extremisten wiederholt Angriffe am südlichen Rand von Bagdad verübt. Im Gegenzug verschleppten schiitische Milizen in den ländlichen Regionen um die Hauptstadt Sunniten, denen sie Terrorismus vorwarfen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.