Alternativer Drogen- und Suchtbericht: Cannabis regulieren, Alk verteuern

Experten haben am jährlichen Drogenbericht der Bundesregierung einiges auszusetzen. Nun legen sie eine eigene Untersuchung vor.

Wie hieß das Ding noch gleich? Bild: dpa

BERLIN dpa | Für die Autoren des Ersten Alternativen Drogen- und Suchtberichts läuft in der derzeitigen Drogenpolitik einiges falsch. Einerseits drohen Strafanzeigen für den Besitz von drei Hanfpflanzen zum Eigengebrauch, andererseits gibt es Alkoholwerbung, billigen Selbstdreh-Tabak und laschen Jugendschutz.

„Wir verstehen uns nicht als Gegner des Drogenberichts der Bundesregierung, der nächste Woche vorgestellt wird, sondern bieten uns als Partner an“, sagt der Mitautor und Suchtforscher Bernd Werse vom Center for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt.

Denn viele erprobte Ansätze und Ideen gebe es bereits. „Aber wirksame Maßnahmen werden nach der Erprobung oft nicht dauerhaft finanziert oder aus politischen Gründen nicht eingeführt“, beklagt die Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe Silke Klumb. Einige Kernpunkte des Berichts:

Alkohol

Der Verbrauch stagniert in Deutschland auf hohem Niveau – der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei rund zehn Litern pro Jahr. Mögliche Hebel sind Jugendschutzgesetze bis hin zum Verbot von Alkohol am Steuer. Den größten positiven Effekt haben nach Meinung der Autoren aber Preiserhöhungen: Ein einheitlicher hoher Steuersatz für alle Alkoholika spiele in den politischen Aktionsplänen jedoch kaum eine Rolle.

Tabak

Obwohl jährlich mehr als 100.000 Menschen in Deutschland vorzeitig durchs Rauchen sterben und weitere 3.000 durchs Passivrauchen, greift immer noch fast ein Drittel der Erwachsenen zur Zigarette. Tabakwerbung sollte deshalb komplett verboten werden, Sponsoring ebenfalls und die Tabaksteuern kontinuierlich und deutlich steigen, fordern die Autoren.

Cannabis

Entkriminalisierung des Eigenbedarfs, lautet hier das Credo. Ein regulierter Cannabis-Markt, etwa durch Fachgeschäfte oder Cannabis-Clubs und mit konsequentem Jugendschutz, spare viele Millionen Euro. Statt für Strafanzeigen könne dieses Geld für Prävention ausgegeben werden.

Medikamente

Laut Bericht sind rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland von Benzodiazepinen abhängig – in der Regel Schlafmittel oder Psychopharmaka. Weitere bis zu 400.000 Bundesbürger schlucken andere Pillen. Medikamentenabhängigkeit ist in Deutschland nach Tabak damit die größte Sucht – noch vor Alkohol. Ein Problem haben vor allem alte Menschen, die mehrere Arzneien gleichzeitig einnehmen. Die Autoren kritisieren, dass bisherige Studien oft nur die Altersgruppe bis 65 Jahre im Blick hätten.

Fixerstuben

Sie gibt es nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe nur in 6 von 16 Bundesländern. Drogenabhängige können sich dort unter hygienischen Bedingungen mit sauberem Spitzbesteck einen Schuss setzen. Damit sollen Infektionen, die Verbreitung von HIV und ein Zusammenbrechen nach Überdosen verhindert werden. Nach Einschätzung der Aidshilfe gibt es dadurch weniger Todesfälle und auch weniger hilflose Junkies im Umfeld der Drogenkonsumräume. Die Aids-Hilfe kritisiert, dass die Räume rechtlich möglich sind – und trotz positiver Erfahrungen nicht in allen Bundesländern existieren.

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