Freikirchler: Evangelikale suchen Schutz

Vielen Muslimen ist die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts verwehrt, eine 700-Personen-Gemeinde bekommt sie. Und fühlt sich benachteiligt.

Die Bremer Paulus-Gemeinde hat Sorge, sich bald nicht mehr, wie hier in Stuttgart, "kritisch zu Homosexualität und Gender-Ideologie äußern zu können". Bild: dpa

Der evangelikalen Bremer Paulus-Gemeinde mit knapp 700 Mitgliedern soll der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf leitete der Senat vergangene Woche an das Parlament weiter, das das Gesetz beschließen muss.

Bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass den weitaus größeren muslimischen Verbänden in Deutschland dieses Recht nicht eingeräumt wird. Eine Ausnahme bildet die Abspaltung der Ahmadiyya, denen Hessen vor einem Jahr die Körperschaftsrechte verliehen hat.

Nach Auffassung des Bremer Senats wären Anträge der drei großen Bremer Verbände Schura, Ditib und Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ) chancenlos. Das Problem sei, dass muslimische Religionsgemeinschaften nicht über Mitgliedschaften organisiert seien, sagte der Bremer Senatssprecher Hermann Kleen gestern. Tatsächlich verlangen Moscheevereine von denen, die ihre Einrichtungen nutzen, keinen Vereinsbeitritt. Und als Religionsgemeinschaft gelten nur „Zusammenschlüsse natürlicher Personen“. Sich irgendwie zum Beten oder in der Gemeinde treffen, reicht nicht.

Doch so einfach, wie es sich der Bremer Senat macht, ist es nicht. Denn gänzlich unorganisiert sind die muslimischen Vereine und ihre Dachverbände auch nicht.

Nach vorherrschender Rechtsauslegung muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine Religionsgemeinschaft „die Gewähr der Dauer bietet“, wie es im Grundgesetz heißt. In seiner Begründung, warum dem Antrag der Habenhauser Paulus-Gemeinde stattgegeben wurde, gibt der Senat den Zeitraum von mindestens 30 Jahren an. Der Bundesverband von Ditib wurde 1984 gegründet, der des VIKZ 1973, die Bremer Schura 2006.

Ob einer der Verbände für das Gesetz straff genug organisiert ist, bleibt fraglich. Daher wollen die muslimischen Verbände derzeit keinen Antrag auf Körperschaftsanerkennung stellen. „Solange wir keine Signale bekommen, dass ein Antrag Aussicht auf Erfolg hat, gehen wir kein Risiko ein“, sagt Emine Oguz, Juristin bei Ditib Bremen-Niedersachsen. Die Gefahr sei hoch, dass mit einem negativen Grundsatzurteil alle Bemühungen um den Status zunichte gemacht würden, so Oguz. Erstrebenswert sei die Anerkennung als Körperschaft aufgrund organisatorischer und finanzieller Vorteile. „Und es hat einen symbolischen Wert, wenn wir den anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt wären.“ In Bremen sind dies die jüdische sowie einige christliche Gemeinden.

Die Paulus-Gemeinde begründet ihrem Antrag anders. „In der Praxis ändert das nichts für uns“, sagt der Gemeindeleiter und Vorstandsvorsitzende Matthias Schultz. „Wir versprechen uns davon einen besseren juristischen Schutz, unser Recht auf Meinungsfreiheit ausüben und unseren Glauben leben zu können.“ Schultz beobachtet in Deutschland „einen Trend, der den christlichen Glauben einschränkt“ – zugunsten von „Andersgläubigen“ wie er sagt. „Minderheiten werden deutlich stärker beachtet als die christliche Mehrheit.“ Damit meint er vor allem Muslime. „Wenn wir uns als Freikirchler kritisch zu Homosexualität oder der Gender-Ideologie äußern, beziehen wir in den Medien dafür viel mehr Keile als Moslems etwa für das Kopftuch.“

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