Jahresbilanz des Verfassungsschutzes: „Vergiftete Simmung gegen Fremde“

Der Innenminister ist beunruhigt wegen der vielen fremdenfeindlichen Übergriffe. Ihn besorgen aber auch gewaltbereite Linksautonome.

Neun Rechtsextreme stehen in Magdeburg nach einem Überfall vor Gericht. Politisch Motiviert sei ihre Tat laut Richter nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Er sei „sehr besorgt“, sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Laut dem Verfassungsschutzbericht 2013 hat fremdenfeindliche Gewalt in Deutschland den höchsten Stand seit 2006 erreicht. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Angriffe mit fremdenfeindlichen Motiven noch einmal um 20 Prozent auf 473 Übergriffe. Das waren 80 mehr als 2012. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2013 am Mittwoch warnte der Minister vor den „unablässigen“ Versuchen der rechten Szene, „die Stimmung gegenüber Fremden zu vergiften“.

Bemerkenswert an der gut 400-seitigen Jahresbilanz ist, welchen Fall der Verfassungsschutz als Musterbeispiel für diesen brisanten Trend anführt – nämlich ausgerechnet jenen brutalen Übergriff auf einen Imbissbetreiber im sachsen-anhaltischen Bernburg, den das zuständige Landgericht Magdeburg Anfang Mai in einer umstrittenen Entscheidung als nicht eindeutig rassistische Junggesellenabend-Prügelei klassifizierte.

Und das, obwohl Abdurrahman E. im Herbst 2013 von einer Gruppe von Neonazis zunächst als „Scheißausländer“ und „Scheißtürke“ angepöbelt worden war, bevor die Rechtsextremen ihm mit Schlägen und Tritten schwerste Kopfverletzungen zufügten.

Das Landgericht Magdeburg befand trotz allem, ein politisches Motiv der Tat „sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt worden“. Im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz tun sich die Fachleute der Abteilung Rechtsextremismus mit der Zuordnung offenkundig weniger schwer.

Die Behörde bewertet die Militanz am rechten Rand mit 9.600 gewaltbereiten Rechten als „unverändert hoch“, auch wenn die Szene insgesamt der Behörde zufolge leicht auf rund 21.700 Personen schrumpfte. Auch die NPD verlor erneut Leute – sie hat jetzt etwa 5.500 Mitglieder.

Konsequenz aus NSU-Debakel

Als Konsequenz aus dem NSU-Debakel der Behörden versichert der Verfassungsschutz, er beobachte besonders genau alles, was auf Rechtsterrorismus hindeute. In drei Fällen habe dies zu Ermittlungsverfahren geführt. Sie richteten sich gegen Mitglieder der Gruppierung „Hamburger Nationalkollektiv & Weiße Wölfe Terrorcrew“, des „Werwolf-Kommandos“ und des Zirkels „Neue Ordnung“.

Auch über eine „sinkende Hemmschwelle“ am linken Rand äußerte sich de Maizière besorgt: Gewaltbereite Autonome hätten – etwa bei Ausschreitungen um die Rote Flora in Hamburg – vermehrt Polizisten und sogar Rettungskräfte angegriffen. Die Zahl dieser Attacken stieg um 34 Prozent. Bei der Gewalt gegen Rechtsextreme registrierten die Behörden ein Plus von fast 40 Prozent.

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