Kommentar WM-Eröffnung: Sieg für Dilma

Brasiliens Präsidentin ist zufrieden: Die Polizei hat alles im Griff. Außerdem profitiert Dilma Rousseff davon, dass die Protestler kein gemeinsames Ziel haben.

Darf sich freuen wie ein Honigkuchenpferd: Dilma Rousseff. Bild: reuters

Abgesehen von den Pfiffen im Stadion lief alles so, wie es sich Präsidentin Dilma Rousseff vorgestellt hatte. Oder wie sie befohlen hatte. Die Seleção hat gewonnen. Von den Busfahrern in Natal abgesehen, gab es keine sichtbaren Streiks. Die Demos waren alle klein, keine reichte an 5.000 Leute heran. Und die Polizei ging kompromisslos hart gegen Protestler vor.

4:1 für die Präsidentin. Das Foulspiel fällt auch nicht weiter ins Gewicht: Vier Journalisten wurden in São Paulo leicht verletzt, darunter zwei von CNN und ein Argentinier von AP. Der Einsatz von Gummigeschossen und Blendgranaten wurde von Amnesty International als „unverhältnismäßig“ kritisiert, auch Presseverbände murrten.

Rousseff kann also hoffen, dass die Vorhersagen stimmen, dass es nicht wieder zu Massenprotesten gegen die Milliardenkosten der WM kommen wird. Zwar war auch im Juni 2013 zum Auftakt des Confed-Cups noch alles recht ruhig. Doch diesmal ist die Politik vorbereitet.

Das zeigt auch das Beispiel der größten Obdachlosen-Organisation MTST, die in den vergangenen Wochen schon mal über 20.000 Menschen auf die Straßen brachte: Nachdem die Regierung drei ihrer Forderungen in Sachen sozialer Wohnungsbau und Dialogbereitschaft bei Räumungen erfüllte, sagte der MTST zu, während der WM keine Großdemonstrationen mehr zu veranstalten.

Protestwille und Fußballfieber

Es ist aber nicht so, dass der einstige Unmut und Protestwille nun vom Fußballfieber abgelöst und ausgelöscht wurde. Viele Fans, die jetzt nur ans Jubels denken, sind nicht gegen die Proteste. Nur gegen die Gewalttäter, die Vandalen, das haben ihnen Politiker und Medien doch klar machen können.

Nein, die Proteste seien berechtigt, vieles müsse in Brasilien verändert werden, ist von den meisten zu hören. Wer ist schon für korrupte Politiker und gegen bessere öffentliche Dienstleistungen? Das Problem dabei ist, dass die Ziele des Protests recht unterschiedlich definiert werden. Die einen wollen die Wiederwahl von Rousseff verhindern, andere wollen die soziale Lage verbessern, wieder andere haben einfach nur die Schnauze voll.

Das war auch schon bei der Protestwelle vor einem Jahr ein Problem. Konsens über die Probleme, aber unklar, wer oder was genau Schuld an ihnen hat. Und überhaupt kein Konsens darüber, wie die Probleme gelöst werden sollen. Nach dem ersten Spieltag ist zu befürchten, dass bald wieder die verhassten Politiker die Regie übernehmen.

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Journalist und Soziologe, lebt seit neun Jahren in Rio de Janeiro und berichtet für Zeitungen, Agenturen und Radios aus der Region. Arbeitsschwerpunkt sind interkulturelle Medienprojekte wie der Nachrichtenpool Lateinamerika (Mexiko/Berlin) und Pulsar, die Presseagentur des Weltverbands Freier Radios (Amarc) in Lateinamerika.

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