Politiker der Regierungspartei in Indien: Bagatellisierung von Vergewaltigung

Erneut interpretiert ein BJP-Funktionär sexuelle Gewalt als Kavaliersdelikt. Vergewaltigungen „geschehen versehentlich“, sagt Ramsevak Paikra vor Kameras.

Kerzen in Neu Delhi im Gedenken an zwei Vergewaltigungsopfer im Mai 2014. Bild: ap

NEU DELHI afp | Zum zweiten Mal binnen weniger Tage hat ein ranghoher Parteifreund des indischen Premierministers Narendra Modi die Vergewaltigung von Frauen in seinem Land bagatellisiert. „Solche Dinge passieren nicht absichtlich. So etwas geschieht versehentlich“, sagte der Innenminister des Bundesstaats Chattisgarh, Ramsevak Paikra, am Wochenende vor Journalisten. Zuvor hatte ein andere Politiker aus Modis hinduistisch-nationalistischer Bharatiya-Janata-Partei (BJP) Vergewaltigungen als „manchmal richtig“ bezeichnet.

Paikra versuchte später noch, seine Entgleisung vom Samstagabend mit dem Hinweis zu relativieren, er sei falsch zitiert worden. Mehrere Fernsehsender strahlten die Äußerungen jedoch im Original aus. Der ebenfalls der BJP angehörende Innenminister des Bundesstaats Madhya Pradesh, Babulal Gaur, hatte die sexuelle Gewalt gegen Frauen in Indien am Donnerstag ebenfalls verharmlost.

Vergewaltigung sei „ein soziales Verbrechen, das von Männern und Frauen abhängt“, sagte Gaur. „Manchmal ist es richtig, manchmal ist es falsch.“ Die BJP-Führung distanzierte sich daraufhin von Gaur.

In Indien war die gesellschaftliche Entrüstung über sexuelle Gewalt gegen Frauen zuletzt deutlich gewachsen, nachdem mehrere besonders brutale Fälle an die Öffentlichkeit gelangt waren. So waren Ende Mai in einem Dorf des Bundesstaats Uttar Pradesh die Leichen zweier zwölf und 14 Jahre alter Cousinen gefunden worden, die mehrfach vergewaltigt und dann an einem Baum aufgehängt worden waren.

Alle 22 Minuten eine Vergewaltigung

Der wegen seiner Reaktion auf den Vorfall kritisierte Kabinettschef von Uttar Pradesh, Akhilesh Yadav, beschuldigte die Familien der Opfer, sie hätten sich politisch instrumentalisieren lassen. Telefonate von Angehörigen mit einem Politiker der rivalisierenden Bahujan-Samaj-Partei legten dies nahe. Yadavs Vater Mulayam Singh, der Vorsitzende der Samajwadi-Partei, hatte bereits im April bei einer Wahlkampfveranstaltung gesagt, er sei gegen die jüngst verschärften Strafen für Vergewaltiger, weil „Jungs eben Fehler machen“.

Im Dezember 2012 hatte die tödliche Gruppenvergewaltigung einer jungen Studentin in Neu Delhi Massenproteste gegen die alltägliche Gewalt gegen Frauen ausgelöst. Seitdem wurden die Strafen für Vergewaltiger zwar verschärft – auf Vergewaltigung mit Todesfolge steht nun beispielsweise die Todesstrafe. Frauenrechtsaktivisten zufolge werden Sexualverbrechen jedoch in vielen Fällen bis heute nicht geahndet.

Nach Angaben der Regierung wird in Indien alle 22 Minuten eine Frau vergewaltigt. Aktivisten gehen aber von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus, da die Opfer sexueller Gewalt aus Angst vor ihrer gesellschaftlichen Ächtung schweigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.