Bauprojekte in der Türkei: Erdogan verwirklicht sich

Der neue Flughafen in Istanbul soll einer der größten der Welt werden. Am Samstag ist Grundsteinlegung. Erdogan treibt seine umstrittenen Mega-Projekte ehrgeizig voran.

Peitscht so einiges durch: Recep Tayyip Erdogan. Bild: dpa

ISTANBUL dpa | Schneller, höher, größer: Die Türkei will zum 100. Gründungsjubiläum der Republik 2023 zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt zählen. Dafür treibt Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gigantische Infrastrukturprojekte in Istanbul voran. Eines der ehrgeizigsten davon ist der Bau des neuen Flughafens im Norden der Millionenmetropole, der einer der größten weltweit werden soll. Während Berlin weiter vom neuen Flughafen träumt, werden in Istanbul Fakten geschaffen. Wie alle Megaprojekte hat der Regierungschef auch dieses zur Chefsache gemacht – natürlich wird Erdogan bei der Grundsteinlegung am Samstag erwartet.

Bis zu 150 Millionen Passagiere will man hier jährlich abfertigen. Zum Vergleich: Am größten deutschen Drehkreuz, dem Frankfurter Flughafen, wurden im vergangenen Jahr 58 Millionen Fluggäste bedient. Regierungsnahe Zeitungen überschlagen sich vor Enthusiasmus – und schreiben den Istanbuler Airport bereits zum größten Flughafen weltweit hoch. Nach jüngsten Medienberichten soll er Ende 2018 fertiggestellt sein.

Mit einem Gebot von mehr als 22 Milliarden Euro gewann im Mai vergangenen Jahres ein Konsortium türkischer Firmen die Ausschreibung für Bau und Betrieb des „Istanbul Yeni Havalimani“. Er soll als Heimatbasis für die größte türkische Fluggesellschaft Turkish Airlines dienen. Der Lufthansa-Rivale gehört zu 49 Prozent der Regierung und baut seine Flotte und das Streckennetz im Eiltempo aus.

Der Expansionsdrang der Fluggesellschaft ist auch ein Sinnbild für das Wirtschaftsstreben des Landes. Verkehrsminister Lütfi Elvan sagte der Nachrichtenagentur Anadolu zu Monatsbeginn: „Wir haben die Welt überholt, in der Luft kennen wir keine Konkurrenten.“ Er rechnete vor, dass 2002 von der Türkei lediglich 60 Ziele im Ausland angeflogen worden seien, jetzt seien es 234.

Wachstum auf Kosten der Umwelt

Das rasante Wachstum geht allerdings auf Kosten der Umwelt. Für den Flughafen an der Küste des Schwarzen Meeres soll ein riesiges Waldgebiet abgeforstet werden. Für Bäume ist bei Erdogans Großvorhaben wenig Platz. Im vergangenen September hatte er anlässlich von Protesten gegen ein Straßenbauprojekt in Ankara gesagt, Straßen seien ein Zeichen von Zivilisation. An die Adresse der Demonstranten sagte er: „Geht und lebt im Wald.“

Waldgebiete mussten auch für die dritte Bosporus-Brücke weichen, an der seit vergangenem Jahr gebaut wird – und die schon im nächsten Jahr eröffnen soll. Natürlich auch das ein Projekt der Superlative: Die Pfeiler sollen mit 322 Metern zu den höchsten weltweit gehören. Zwei Schienen- und acht Autospuren sollen über die 59 Meter breite und 1408 Meter lange Hängebrücke zwischen Asien und Europa führen. Kritiker bemängeln, der Mega-Bau gefährde Trinkwasser-Reservoirs.

Tunnel unterm Bosporus

Erst im vergangenen Jahr wurde in Istanbul nach neunjähriger Bauzeit der „Marmaray“-Bahntunnel unter dem Bosporus eröffnet – der erste transkontinentale Tunnel der Welt. In einem Kraftakt wurde „Marmaray“ – wie von Erdogan gewünscht – rechtzeitig zum 90. Geburtstag der Republik am 29. Oktober vergangenen Jahres fertiggestellt. „Marmaray“ soll – wie auch die dritte Bosporus-Brücke – dabei helfen, einen Verkehrsinfarkt in Istanbul abzuwenden.

Um die Bosporus-Meerenge zu entlasten, plant die Regierung eine alternative Schiffsroute parallel zum Bosporus. „Kanal Istanbul“ ist der Arbeitstitel der Idee, aus der bis 2023 eine 145 Meter breiten und 25 Meter tiefe künstlichen Wasserstraße werden soll. Zwar spricht Erdogan selbst von einem „verrückten Projekt“. Nach Medienberichten wird bereits an Machbarkeitsstudien gearbeitet.

Die gigantischen Bauprojekte stoßen auch auf Kritik. Doch weder Bedenken von Umweltaktivisten und Städteplanern, von Bürgerbewegungen und Oppositionellen konnten Erdogans Träume stoppen. Nur in einem Fall gelang das seinen Kritikern bislang: Den Istanbuler Gezi-Park wollte die Regierung vor einem Jahr bebauen lassen, daran entzündeten sich landesweite Proteste. Der inzwischen weltberühmte Park am Taksim-Platz ist bis heute eine Grünfläche.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.