Erdogans Attacke auf Cem Özdemir: Sei untertänig, Türke

Der Yusuf aus Stuttgart und die Fatma aus Köln wollen den Grünen-Politiker Cem Özdemir nicht in der Türkei haben. Was sagt uns das?

Demonstranten sind Feinde: türkische Polizisten beim Gezi-Jubiläum am Samstag in Istanbul. Bild: Reuters

Als besonders helle Leuchten sind die AKP-Anhänger im Internet bislang nicht aufgefallen. Diese Facebook-Gruppe aber ist selbst für das AKP-Milieu selten bescheuert: „Cem Özdemir, wir möchten dich nicht in der Türkei“, bekunden da der Yusuf aus Stuttgart und die Fatma aus Köln, ohne zu merken, dass da etwas nicht stimmt.

Aber gut, ihre Beschränktheit ist die ihres heißgeliebten Führers Tayyip Erdogan. Der hatte vorige Woche Cem Özdemir als „sogenannten Türken“ bezeichnet und ihm zugleich zugerufen: „Du hast kein Recht, so über den Ministerpräsidenten des Landes zu reden, zu dem du durch deine Wurzeln gehörst.“

Özdemir ist also kein echter Türke, hat aber als Türke gefälligst untertänig zu sein. Ein typischer Erdogan: paranoid und jähzornig, etwas meschugge und sehr gebieterisch. Nicht zum ersten Mal hat er gezeigt, dass er unter Cäsarenwahn im fortgeschrittenen Stadium leidet. Doch so wutschnaubend seine Ausfälle sind, völlig umnachtet wie in der Unglücksstadt Soma, als er über Grubenunglücke im England des 19. Jahrhunderts sinnierte, ist er bislang nur selten aufgetreten.

Meistens steckt dahinter ein Kalkül. Das Kalkül nämlich, durch permanente Feindeserklärungen seine Anhängerschaft bei Stimmung zu halten. Diese Kriegsrhetorik aber folgt einer eigenen Logik: Man muss in immer kürzeren Abständen in immeren schrilleren Tönen immer neue Feinde ausmachen. „Ich kann meine 50 Prozent schwer zurückhalten“, hatte er bei den Gezi-Protesten gesagt – ein Ministerpräsident, der sein Land rhetorisch an den Rand des Bürgerkriegs führt. Die Konsequenzen dieser verbalen Hetzjagd zeigen türkische Polizisten bei nahezu jeder Demonstration: Wer gegen Erdogan protestiert, ist ein Feind. Und genauso wird er behandelt.

Mit der Attacke auf Özdemir − und zuvor der Kampagne gegen den Spiegel-Online-Korrespondenten Hasnain Kazim − hat er diese Eskalationsstrategie Deutschland und die Deutschtürken ausgeweitet. Die Bundesregierung hat daher gut daran getan, diese Unverschämtheit zurückzuweisen. Und irgendwann wird sie sagen müssen, dass Erdogan als Gesprächspartner nicht länger satisfaktionsfähig ist.

Was für ihn gilt, gilt ebenso für die Yusufs und die Fatmas, die sich im Lokalen, in Parteien und Einrichtungen aller Art tummeln und sich von Erdogans Feindseligkeit anstecken lassen. Der Unterschied: Bei ihnen ist nicht für alle Zeiten jede Hoffnung vergebens.

Von den Grünen zur AKP

Eine Kategorie für sich ist Ozan Ceyhun, einst Europa-Abgeordnete der Grünen, später der SPD und noch vor einigen Jahren Kritiker der AKP, der nach einer weiteren Station als Berater des türkischen Oppositionspolitikers Mustafa Sarıgül inzwischen die AKP-Regierung berät. Auch er war zeitweilig Mitglied dieser Facebook-Gruppe, ehe er nach einem Artikel darüber in der Welt austrat. Auf die Nachfrage der taz beteuerte er, er sei ohne sein Wissen zu dieser Gruppe beigefügt worden und habe die entsprechende Benachrichtigung von Facebook „nicht zur Kenntnis genommen“.

Auch die Frage, ob er öffentlich ein kritisches Wort über Erdogans Attacke gegen Özdemir verloren hat, verwies er auf einen Artikel in einer türkischen Online-Zeitung. Darin ist äußert er sein „Bedauern“ − nicht über Erdogan, sondern über seinen „alten Freund Cem“, der offenbar falsch über Erdogans Auftritt in Köln informiert worden sei. An anderer Stelle mutmaßte er über Özdemirs „falsche Berater“.

Eine Kritik an Inhalt und Ton von Erdogans Tirade gegen Cem Özdemir ist von ihm auch aif Nachfrage nicht zu vernehmen. Ozan Ceyhun werden weiterhin gute Kontakte in die SPD nachgesagt.

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