Neue Küche in Kopenhagen: Krabben mit Botschaft

Das neue Restaurant „rub&stub“ in Kopenhagen kocht überwiegend mit Produkten aus der Wegwerfgesellschaft. Erfolgreich.

Ein typisch dänisches Gericht. Bild: imago

Ein Löffel Bohnensalat mit Quark türmt sich hübsch angemacht auf dem Teller, daneben ein Häufchen Krabben in Dill sowie ein paar Blumenkohlröschen mit Erdnüssen – und das Interessante: In anderen Restaurants wäre all dies nie auf den Tisch gekommen. Denn der Name des Restaurants ist Programm: „rub&stub“ heißt so viel wie „restlos alles“, und entsprechend werden überwiegend Überschüsse der Wegwerfgesellschaft verarbeitet: Lebensmittel, von denen Firmen zu viel produziert haben oder für die sie keinen Lagerplatz finden. Waren, die zu krumm oder fleckig sind, um in den Verkauf zu gelangen, oder deren offizielles Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist – ohne dass freilich ihre Qualität gelitten hätte.

Im August vergangenen Jahres öffnete das ungewöhnliche Lokal im „Huset“, dem alternativen Veranstaltungszentrum Kopenhagens. In Eigenarbeit, mit lächerlichen 1.200 Euro Startkapital und viel Enthusiasmus restaurierte eine Handvoll Leute die Räumlichkeiten, in denen zuvor ein Edel-Italiener Bankrott gegangen war. Dicke Balken stützen die Decken, Regale aus Weinkisten und Bilder hängen an den Wänden. Die Tische sind gekonnt aus Bohlen und Eisenklammern zusammengefügt, zwei sind ehemalige Kabelrollen.

Entstanden ist das Projekt aus der Idee, eine Diskussion über die Verschwendung von Lebensmitteln in Gang zu setzen. Dänemark ist in dieser Hinsicht Europas trauriger Spitzenreiter. „Wir möchten zeigen, was da alles noch essbar ist“, sagt Ramus Scheelke. Der 27-Jährige arbeitet tagsüber in der öffentlichen Verwaltung und war einer der Initiatoren. Die ersten Reaktionen waren sehr kontrovers. „Als ich mit einer Gruppe von Jugendlichen diskutierte, waren die sich einig: Ich esse doch keinen Abfall!“ Auch die Antworten aus der Wirtschaft waren sehr verhalten. „Die großen Konzerne wollen kein Aufsehen, welche Unmengen an genießbaren Lebensmitteln sie tagtäglich wegwerfen. Viele haben ihre Abfallcontainer deshalb mit Schlössern gesichert.“

Ein offenes Ohr fanden die Macher eher bei kleineren Produzenten: Ein Fischer, die Bäckerei „Emmerys“, eine Kooperative von Ökobauern – acht Firmen versorgen das Projekt derzeit mit ihren Überschüssen. Fleisch und Käse werden meist dazugekauft – gerade da sind die lebensmittelrechtlichen und hygienischen Hürden sehr hoch. „Und wenn wir plötzlich eine größere Menge Heringe erhalten, müssen wir uns eben auch Gurken dazu besorgen oder Zitronen oder was sonst dazu passt.“

Die Warteliste ist lang

Zwei Köche sind fest angestellt. Den Rest erledigen Freiwillige. 24 waren es am Anfang. Heute sind es bereits 110 Frauen und Männer, die ohne Bezahlung Wein ausschenken, Teller schleppen, Gläser spülen und Zwiebeln schneiden. „Ich habe mal in einer Küche für 800 Schüler gejobbt und gesehen, welche Unmengen an Essen da weggekippt wurden“, erklärt Rasmus Scheelke seine Beweggründe. Ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt aus dem Ausland, viele Studenten sind darunter. Inzwischen gibt es eine Warteliste.

Essen als weltanschauliches Statement, das ist sicher eine originelle Idee. Aber wenn das Lokal sich auf Dauer etablieren und die Botschaft auch Menschen erreichen soll, die sich nicht ohnehin mit der Materie beschäftigen, ist entscheidend, was vorne rauskommt – aus den Töpfen und Pfannen in der Küche.

„Heute war’s wohl nicht vom Besten“, gibt Evija ohne weiteres zu, als sie den halbvollen Teller abräumt. In der Tat: Das Ragout aus Kartoffeln, Lauch, Erbsen und Möhren war verkocht, das Roastbeef ging in Ordnung, der Kohlsalat mit Sprossen und Croutons bettelte um Gewürze.

Schwankende Qualität

Zweierlei entschädigt für das geschmackliche Auf und Ab: Preislich liegt das „rub&stub“ mit seinen drei Vorspeisen zwischen 8 und 12 Euro, den drei Hauptgerichten von 13 bis 15 Euro und den beiden Desserts für 6 Euro – heute Apfel Trifle und Crumble Cake im Glas – unter dem Niveau anderer Restaurants in Kopenhagen. Und die jungen Freiwilligen strahlen jeden Gast mit einer völlig unprofessionellen, ehrlichen Freude an, setzen sich auf Wunsch gern kurz dazu und erzählen von dem Projekt.

Und der Erfolg? 150 Plätze hat das Restaurant. An den Wochenenden ist es meist voll, unter der Woche findet man immer Platz. „Huset“ vermietet die Räumlichkeiten preiswert, Essen für Künstler und Musiker im Haus werden auf die Miete angerechnet. Betrieben wird „rub&stub“ von der Organisation Retro, die in Kopenhagen zwei Cafés nach dem gleichen Prinzip unterhält.

„Wenn wir Gewinn machen, geht der in ein Schulprojekt in Sierra Leone“, sagt Rasmus Scheelke. „So weit sind wir im ’rub&stub‘ allerdings noch nicht. Aber wir arbeiten dran. Und zwar hart.“

„rub&stub“, Radhusstr. 13, 1th., info@spisrubogstub.dk, www.spisrubogstub.dk

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