Jub-Mönster-Retrospektive: Ahnung von Vergeblichkeit

Der Bremer Jub Mönster ist bekannt für Wandbilder. Einer ganz eigenen Traurigkeit spürt er nach, indem er Familien-Dias und drittklassige Landschaftsgemälde montiert.

Familienszenen in drittklassiger Landschaft; Mönsters "Schamanische Lichtung". Bild: Galerie Holfhoff Mokross

BREMEN taz | Auf einer großen grauen Brandschutzmauer ist ein alter Mann zu sehen. Zu seinem weißen Hemd und der schräg gestreiften Krawatte trägt er blaue Jeans und gelbe Gummistiefel. In den Händen hält er einen Besen. Mit dieser seltsam verloren wirkenden Figur hat der Bremer Maler Jub Mönster vor wenigen Jahren eine ganze Fassade irgendwo im polnischen Danzig in einen öffentlichen Platz verwandelt.

Wenn Mönster, geboren 1949 in Oldenburg, jetzt in Hamburg ausgestellt wird, dann klingt der Titel der Ausstellung zunächst wie ein Wortspiel: „Er kam in das Staunen gar nicht mehr rein“. Er enthält zugleich eine Ahnung von Vergeblichkeit – die Welt ist banal, nichts in ihr kann noch Erstaunen hervorrufen.

Kunst im öffentlichen Raum hat in Bremen eine vergleichsweise starke Präsenz: Seit 1973 wird sie vom Senat mit wechselnden Maßnahmen gefördert, im Stadtraum finden sich heute zahlreiche Skulpturen und Wandbilder. Solche Maßnahmen erwuchsen in einem spezifischen soziokulturellen Klima: Kunst wurde auf der Straße platziert, war öffentlich für alle zugänglich – und trat nicht selten mit einem sozialkritischen Impetus auf. Profitieren sollten von der Kunst auch ärmere oder entlegene Stadtteile. Nebenher erhielten jüngere und noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler Aufträge.

So auch Jub Mönster, der 1976 sein Studium – Malerei und Film – an der Bremer Hochschule für Gestaltung abschloss, der Vorgängerin der heutigen Hochschule für Künste. Er brachte es zunächst durch zahlreiche Wandbilder zu einiger Bekanntheit. Gemeinsam mit Jürgen Schmiedekampf, einem befreundeten Bremer, gestaltete er im Auftrag der Kulturbehörde etliche Fassaden und Innenräume öffentlicher Gebäude: Jugendzentren, Schulen oder auch bei Radio Bremen. Noch heute arbeitet er im öffentlichen Raum, gestaltete zuletzt eine Urnengrabstätte für Obdachlose im Stadtteil Walle.

Jub Mönster wird allgemein als realistischer Maler wahrgenommen und tatsächlich ist es die äußere Wirklichkeit, auf die er sich in seinen Arbeiten bezieht – aber auch ständig Verfremdungsprozessen unterzieht. Berühmt sind seine Zeichnungen von Prominenten, wie Lou Reed oder Dennis Hopper, angefertigt nach selbst geschossenen Fotos mit dem Kugelschreiber. Oft genug sind darauf nur Hinterköpfe zu sehen.

Vereinzelung und Entfremdung sind Mönster immer wieder Thema. Ähnlich dem Danziger Straßenfeger wirken die Figuren des 2001 in der Bremer Innenstadt entstandenen Wandbildes „En Passant“: Eine alltägliche Straßenszene, eine junge Frau trägt einen Gitarrenkoffer, eine andere führt ihren Hund spazieren, ein Junge auf einem Skateboard, jemand malt ein Bierwerbeplakat aufs Pflaster.

An der bemalten Mauer ist, mitten in Mönsters Straßen-Szene, tatsächlich eine solche Plakatwand angebracht. Einmal warb dort die Hamburger Kunsthalle für eine Ausstellung von Caspar David Friedrich. Zu sehen war dessen „Wanderer im Nebelmeer“, jene einsame Gestalt, die auf einem Felsen steht und aufs Meer blickt – Prototyp des Mönster’schen Fußgängers.

Vereinzelt und entfremdet von ihren Hintergründen sind auch die Gestalten, die auf seinen Übermalungen zu sehen sind: Auf Flohmärkten und in Auktionen kauft Mönster in Öl gemalte Landschaftsbilder unbekannt und unbedeutend gebliebener Maler des frühen 20. Jahrhunderts. Dazu, ebenfalls auf Flohmärkten, magazinweise private Dias. Darauf findet er, auf Fotomaterial verewigt, Szenen längst vergangenen Alltags. Und Situationen, die Menschen als besonders empfanden und daher gerahmt in datierten Kästen archivierten: Hochzeiten und Geburtstage, Ausflüge und Urlaube.

Die Gestalten auf diesen Dia entreißt Mönster ihren Umgebungen und überträgt sie in die gemalten Öllandschaften. Fremd wirken die 70er-Jahre-Figuren in der Umgebung, die zu Anfang des Jahrhunderts gemalt wurde. Und trotz der Jahrzehnte zwischen ihnen haben sie doch gemeinsam, dass man sie als Zeugen der Vergangenheit zurückließ. Dass sie einmal etwas wert waren, ist lange her, sie finden sich an Flohmarkständen und in Ramschläden, auf Sperrmüllhaufen, im Müll. Indem Mönster schlecht gemalte Waldlandschaften mit schlecht fotografierten Privatleuten verbindet, rettet er beide zwar einerseits – es zeigt sich aber auch ihre ganze Traurigkeit.

„Das war ein ganzes Leben“, sagt Mönster über eine riesige Sammlung von Diakästen, die er auf einem Flohmarkt fand. Er kaufte das Konvolut und begleitete bei seiner Durchsicht ein Paar beim Älterwerden. In einem Buch hat er Urlaubsbilder zusammengestellt, auf denen die beiden sich an der je selben Stelle fotografierten. Man sieht sie älter werden, irgendwann trägt die Frau eine Perücke. Kunst kennt Mittel, noch ein vergangenes Leben mit Aktualität aufzuladen. Hätte Mönster sie nicht gefunden, wären von ihnen vielleicht nicht einmal Bilder geblieben.

■ „Jub Mönster – Er kam in das Staunen gar nicht mehr rein“: Galerie Holthoff-Mokross, Hamburg;
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.