Diabetologe will Homosexuelle "heilen": Dämonenaustreibung in der Arztpraxis

Der Hamburger Diabetologe Arne Elsen will schwulen Patienten „den Geist der Homosexualität austreiben“ und rechnet die Behandlungen über die Krankenkassen ab. Kassen und Ärztekammer sind machtlos.

Für den Mediziner Arne Elsen hat dieser Mann sicherlich eine "lebensverändernde Erkrankung": Besucher des Christopher Street Day in Hamburg Bild: dpa

HAMBURG taz | Frank Ulrich Montgomery ist sauer. „Eine Arztpraxis dient nicht der Dämonenaustreibung“, sagt der Präsident der Hamburger Landesärztekammer und Chef der Bundesärztekammer. „Das können wir ahnden“, glaubt Montgomery und stellt für den Mediziner Arne Elsen den Entzug der ärztlichen Zulassung in Aussicht.

Elsen ist Facharzt für Inneres und Mitinhaber eines Diabeteszentrums in Hamburg-Bramfeld. Aber nebenberuflich versucht sich der 52-Jährige als Wunderheiler im Namen Gottes und als Teufelsaustreiber. Sein Spezialgebiet ist die Heilung von Homosexuellen.

Derzeit prüfe die Ärztekammer, ob der Mediziner „sich berufsrechtlich etwas zuschulden hat kommen lassen“, sagt die Sprecher der Landesärztekammer, Sandra Wilsdorf. Doch ein Entzug der ärztlichen Approbation sei in diesem Fall „nicht gerechtfertigt“, bremst die zuständige Hamburger Gesundheitsbehörde die Bemühungen der Ärztekammer schon mal vorsorglich aus.

Anfang Mai hatte der NDR Elsen auf den Zahn gefühlt und eine Debatte ausgelöst. Der schwule Reporter Christian Deker hatte erst an einem „Heilungsgottesdienst“ des Diabetologen Elsen teilgenommen und diesen anschließend in seiner Praxis aufgesucht.

Elsen habe ihm gesagt, „der Dämon der Homosexualität“ müsse „ausgetrieben werden“, sagt Deker. Eine Heilung sei möglich. Anschließend habe Elsen ihm seine Stirn mit Öl eingerieben und sich an der Austreibung versucht.

Seine Spezialbehandlung verkaufte der Diabetologe der Krankenkasse als „Erörterung einer lebensverändernden Erkrankung“. Darunter versteht die Gebührenordnung der Krankenkassen schwere Krankheiten wie Krebs oder Diabetes, Elsens offizielles Spezialgebiet.

Nicht nur für Arne Elsen sind Schwule und Lesben krank. Auch Gero Winkelmann, Vorsitzender des Bundes katholischer Ärzte, hält Homosexualität für eine "schwere Last" und eine "psychische Störung". Das sei aber behandelbar.

Kritik formuliert der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Hamburger Diabetes-Schwerpunktpraxen, Andreas Klinge: "Der Versuch, Homosexualität in Heterosexualität umwandeln zu wollen, kann bei den Betroffenen schwere Schäden verursachen."

Über eine Entziehung der ärztlichen Zulassung entscheiden - oft auf Antrag der Ärztekammer - die zuständigen Landesbehörden. In Hamburg ist das die Gesundheitsbehörde.

Die Krankenkassen sagen, sie seien machtlos. Sie verweisen zwar in verschiedenen Medienberichten unisono darauf, dass Homosexualität keine Krankheit und ihre Behandlung natürlich nicht abrechnungsfähig sei.

Doch die Inhalte der Arzt-Patienten-Gespräche seien nicht bekannt und sie wüssten daher nicht, was hinter der „Erörterung einer lebensverändernden Erkrankung“ stecke. Andere Ärzte rechnen ihre „Umpolungsversuche“ als Behandlung einer psychischen Störung ab. Auch hier hätten die Krankenkassen das Nachsehen.

„Zurzeit wird Elsen nicht auf Ihre Fragen eingehen“, lässt er auf taz-Anfrage über das „Centrum für Glauben, Gebet und Heilung“ ausrichten, das nur wenige Meter von seiner Praxis entfernt residiert.

Der evangelischen Nachrichtenagentur idea sagt Elsen, er werde „an den Pranger gestellt“ und „diskriminiert“. Der NDR-Bericht ließe „jegliche Toleranz gegenüber Menschen vermissen, die ihr Leben biblisch ausrichten“.

Elsen kritisiert „dass der Reporter sich in seiner Praxis behandeln lässt, ohne wirklich behandlungsbedürftig zu sein“. Die Schilderungen von Deker bestreitet er aber nicht. Zudem weist er die Einschätzung zurück, dass man Homosexualität nicht behandeln könne.

Elsen ist kein Unbekannter. Fast jedes Wochenende veranstaltet er im deutschsprachigen Raum Heilungsseminare und gottesdienste, berichtet von medizinischen Wundern jenseits der Schulmedizin und predigt: „Wenn sich die Beziehung zu Jesus verbessert, ist das gesundheitsfördernd.“ Am 14. Juni ist er für die Apostolische Kirche Flensburg, kurz darauf für die Freie Christengemeinde Wildeshausen im Einsatz.

In Flensburg gibt es bereits Kritik an seinem geplanten Auftritt. Das Online-Magazin „Fördeschnack“ schreibt: „Wer wie er die sexuelle Orientierung anderer Menschen als Krankheit degradiert, und sich damit so weit abseits der von ihm gepredigten christlichen Nächstenliebe bewegt, sollte hier kein Forum haben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.