Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Deutschland hat keine Ideen, sondern Geld. Die US-Ostküste ist für viele Amerikaner doch arg Europa. Und: Neues vom Mentholpunk.

Die Trikotfarben stimmen, aber für einen Borussen sieht dieser Mann zu glücklich aus: Gabi Fernandez von Atletico Madrid Bild: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in Europa in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Tippe, dass AfD sich heimlich an die 10 Prozent heranmacht.

Was wird besser in dieser?

Das könnte die FDP wecken.

Hat Sie das Wahlfieber schon ergriffen?

Ich geh da hin, da kenn ich nix.

Was sollte uns besonders interessieren an Europa ?

Das Gefühl, einer ethnischen Minderheit anzugehören, den Deutschen. Das kriegen wir zu Hause ja sonst gar nicht. Kann ich mir vorstellen, einen schwedischen Finanzminister, eine irische Kanzlerin zu haben? Bin ich reif für „Deutschland, Deutschland unter anderem“? Oder ticke ich wie Österreich gegenüber der Paulskirche und möchte um den Preis von ein paar Kriegen mein eigener Denkmalschutzverein werden ?

Und Russland, gehört das noch dazu?

Druschba! Wenn die Ostküste der USA auf die schnittige Idee käme, sich zu einem eigenen Kontinent zu erklären – viele Amerikaner sagen, New York sei im Grunde noch sehr Europa –, wäre es nichts als ein schriller Witz. Den wir hier besinnungslos vor uns hinleben. 50-Rubel-Frage: Was fehlt im Begriff „Eurasischer Kontinent“? Helmut Schmidt nennt das „größenwahnsinnig“. Der Mentholpunk steht damit inzwischen links der Grünen; möge er 110 werden und die Linke hat einen Topkanzlerkandidaten. Jedenfalls: Russland hat einen „europäischen Teil“, und jede Handelserleichterung und Assoziierung, die das europäische Russland bekäme, könnte es seinen früheren Vasallen kaum verwehren. Friedenspolitik, ein schmutziger Job, aber einer muss es machen. Keiner da.

Es gibt Streit darüber, ob der Kommissionspräsident wirklich nach dem Wählerwillen bestimmt werden soll. Ist Europa eigentlich demokratisch?

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts offenbar nicht, denn ausdrücklich wegen erwiesener Machtlosigkeit des Europaparlamentes hat es die Wahlhürden gestrichen. Würde der Kommissionspräsident vom Parlament zusätzlich legitimiert, wäre das so, als würde man einen Kaiser nachträglich auch zum Kanzler wählen. Besser als nix.

Müssen wir Martin Schulz als unseren Mann für Europa unterstützen?

Eben drum. Die EVPs müssten ihren Spitzenmann Juncker gegen Merkels Willen inthronisieren. Die Konservativen werden also bei einem Unbekannten aus der Hinterzimmerei landen. Erhält dagegen Schulz eine Parlamentsmehrheit und wird Präsident, würde es nach ihm sehr schwer, ins Vordemokratische zurückzuschrumpfen. Schulz war nur der Bossa Nova.

Steht den Deutschen eine Führungsrolle in Europa zu?

Man kann nicht schneller laufen als der eigene Hintern. Unser Job: ein beweglicherer Hintern werden. Bisher bremst Deutschland mit starrem Blick aufs Geld; man könnte diese Massenträgheit klüger einsetzen: Lasst uns eine Verfassung entwickeln – und in deren Rahmen werden wir auch finanziell beitragen. Führung entsteht, wenn viele sich dem Träger einer Idee anschließen. Deutschland hat keine Ideen, sondern Geld. Das ist die Logik des dicksten Bauern im Wilden Westen. „Ich brauche keine Gesetze, ich bin das Gesetz.“ Damit wird man reich und muss nach dem Finale in einen bayerischen Knast.

Haben Sie Angst vor TTIP?

Nein, ich mag ja auch Blinde Kuh und ungeschützt im Darkroom vögeln. Die USA bestehen darauf, den Vertrag geheim zu verhandeln. Das sei unverhandelbar.

Gibt es eigentlich die Schuldenkrise noch?

Wie unser Finanzminister die Wendungen „sprudelnde Steuereinnahmen“ und „Neuverschuldung“ in einen Satz bekommt, werden noch unsere Enkel schaudernd bewundern. Krösus Deutschland spart nicht, da können sich alle anderen hinter verstecken. Gemessen an unserem wirtschaftlichen Erfolg gibt es eine Gewinnkrise: Der verschwindet und hinterlässt Probleme.

Wie gehen Sie mit Schulden um? Wünschen Sie sich nicht auch manchmal einen Schnitt?

Wir durften es ja einmal ohne Schnitt ausprobieren, da folgte Hitler; und einmal mit, da folgte Wirtschaftswunder.

Und was macht Atletico Madrid, das Borussia Spaniens?

Cooler Vergleich! Ihr Chef heißt Gabi, ihr Wappen zeigt den „Bären am Erdbeerbaum“, und ihr Kosename „Colchoneros“ bedeutet „Matratzenmacher“. Man kann es auch bekifft im Fußball weit bringen!

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