Gewalt in Flüchtlingsunterkunft: Toter in besetzter Schule

Bei einem Streit wird ein Mann in der Kreuzberger Flüchtlingsschule erstochen. Die Sozialverwaltung dringt auf ein schnelles Ende der Besetzung.

Nach der tödlichen Auseinandersetzung sperrt die Polizei am Freitag die besetzte Schule ab Bild: dpa

BERLIN taz | In der von Flüchtlingen besetzten ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg wurde am Freitagmittag ein 29-jähriger Marokkaner mit mehreren Messerstichen getötet. Die Polizei nahm den Tatverdächtigen, einen 40-jährigen Mann aus Gambia, in der Nähe der Schule fest. Er hatte ein blutverschmiertes Messer bei sich.

Grund für die Auseinandersetzung war nach taz-Informationen ein Streit zwischen den beiden Bewohnern darüber, wer als nächstes die einzige funktionierende Dusche benutzen darf. Ein Wort soll das andere ergeben haben, bis der 40-Jährige ein Messer zog und mehrmals zustach.

Laut Feuerwehr traf sieben Minuten nach dem Anruf ein Notarzt in der Schule ein. Er konnte dem Opfer jedoch nicht mehr helfen: Der Mann starb im Krankenwagen. Die Polizei erklärte, sie sei gegen 12.20 Uhr von dem in der Schule tätigen Sicherheitsdienst alarmiert worden. Eine 33 Jahre alte Bewohnerin der Schule aus Kenia sagte: „Es sind alle total schockiert. Ich bin fassungslos und traurig.“ Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt. Die Mordkommission ermittelt.

Die Schule an der Ohlauer Straße wurde im Dezember 2012 im Rahmen der Flüchtlingsproteste am Oranienplatz besetzt. Derzeit leben dort rund 200 Flüchtlinge, dazu kommen zahlreiche Roma-Familien. Die beengten und teilweise chaotischen Zuständen in dem selbst verwalteten Haus – der Bezirk zahlt Miete, Mülltonnen und Strom, alles andere regeln die Bewohner – wurden immer wieder kritisiert.

Nach mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen beauftragte der Bezirk Anfang des Jahres einen Sicherheitsdienst mit der Bewachung, für interne Streits sei zudem eine „social security“ der Bewohner zuständig, erklärte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). „Mehr Sicherheit gibt es ja nicht.“ Am Freitagabend wollte sich sie vor Ort mit Sicherheitsdienst und Bewohnern beraten, wie es weitergehen soll.

„Ausdruck des desolaten Zustands“

Die Debatte um eine Räumung der Schule dürfte durch den ersten tödlichen Vorfall befeuert werden. Seit Wochen ist Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) mit den Flüchtlingen im Gespräch. Kolats Sprecher Mathias Gille zeigte sich in einer ersten Reaktion „enorm betroffen“, dass dort nun ein Mensch gestorben ist. Zu Details der Gespräche mit den Flüchtlingen könne er sich aber nicht äußern.

Grundsätzlich geht es darum, ob die Flüchtlinge dem Einigungspapier des Senats zum Oranienplatz zustimmen. Danach bekommen 470 auf einer Liste aufgeführte Flüchtlinge – von denen nach Schätzungen rund 200 in der Schule leben – eine umfassende Einzelfallprüfung zugesagt. Bedingung: Die Zelte am Oranienplatz müssen abgebaut sein und die Betreffenden aus der Schule ausgezogen. Ersteres ist geschehen, doch bislang weigern sich die Schul-Flüchtlinge, dem Einigungspapier zuzustimmen.

Auch der Bezirk möchte, dass die Flüchtlinge und Roma ausziehen. Seit Monaten verhandelt Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) mit den Bewohnern über das Ziel, aus der alten Schule ein Flüchtlingszentrum mit Beratungsangeboten und einen Wohnbereich für reguläre Asylbewerber zu machen. Gebe es „angemessene Alternativobjekte in Kreuzberg“, seien auch einige bereit, „die Schule zu verlassen, um Räume für Projekte freizugeben“, erklärten die Schulbewohner Ende März.

Nun ist das Problem einer alternativen Unterkunft offenbar fast gelöst. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost erklärte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Freitag, man sei in „abschließenden Verhandlungen“ über ein passendes Gebäude. Wo sich dieses befindet, werde er jedoch erst bekannt geben, wenn Kolat ihre Verhandlungen zum Erfolg geführt habe und eine „statusrechtliche Vorprüfung“ der betreffenden Flüchtlinge stattgefunden habe.

Auch Czajas Verwaltung bedauerte den Tod des Flüchtlings. Das Delikt sei Ausdruck des desolaten Zustandes, der dort herrsche und schnellstens beendet werden müsse, sagte eine Sprecherin.

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