Kommentar Vorratsdatenspeicherung: Jetzt ist die SPD am Zug

Das EuGH-Urteil könnte der SPD Rückendeckung geben, die Vorratsdatenspeicherung ad acta zu legen. Doch sie muss sich gegen die CDU durchsetzen.

Kampf der Minister: Heiko Maas (Justiz) gegen Thomas de Maiziere (Inneres). Bild: dpa

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die EU-Vorgaben für die Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungen komplett beseitigt. Sie verletze in der jetzigen Form das EU-Grundrecht auf Datenschutz, weil sie in vielen Punkten unverhältnismäßig weit geht. Das ist ein sehr wichtiges Urteil. Noch nie hat der EuGH die Bürgerrechte so deutlich gegen Polizeiinteressen verteidigt. Besonders mutig war das Urteil aber nicht. Denn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union können ihre Vorratsdatenspeicherung ja erst einmal behalten – falls sie dies politisch für richtig halten. In fast allen EU-Staaten wird das wohl der Fall sein.

Und in Deutschland, dem einzigen EU-Staat ohne Vorratspeicherung? Hier ist Justizminister Heiko Maas (SPD) im Wort. Für den Fall, dass der Gerichtshof in Luxemburg die EU-Richtlinie „vollständig kassiert“, sagte Maas im Januar, „wäre die Geschäftsgrundlage für den Koalitionsvertrag komplett entfallen. Dann müssten wir über die Vorratsdatenspeicherung ganz neu reden.“ Dieser Fall ist nun eingetreten.

Die CDU/CSU will aber nicht neu diskutieren. Sie will die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland sofort einführen. Augen zu und durch. Rechtlich ist das möglich. Doch will man das politisch? Diese Frage richtet sich vor allem an die SPD. Geben dort die sozialdemokratischen Innenminister den Ton an, die schon immer für die anlasslose Massenspeicherung waren? Oder können sich jetzt die Bürgerrechtler durchsetzen, die bisher in der Minderheit waren?

Wahrscheinlich wird am Ende die Koalitionsräson siegen: Damit der von der SPD gewollte Mindestlohn wirklich kommt, so die Logik vieler Sozialdemokraten, muss auch die Union ihre Trophäen bekommen. Der Schutz der Privatsphäre ist eben kein wirkliches Herzensanliegen der Sozialdemokratie.

Aus bürgerrechtlicher Sicht kann es dagegen nur eine Antwort geben: Eine anlasslose Massenspeicherung von Daten ist immer abzulehnen. Sie kann zu Einschüchterungseffekten führen und sie schafft Risiken, dass die Daten missbraucht werden, vom wem auch immer.

Nie war die Ausgangslage so günstig, Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung zu organisieren. Es wäre schließlich absurd, sich über die Massenüberwachung des US-Geheimdienstes NSA aufzuregen und gleichzeitig in Deutschland etwas Ähnliches einzuführen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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