Zensus in Birma: Das Volk zählen, die Ethnien spalten

Die erste Volkszählung seit 31 Jahren verschärft in Birma die Spannungen zwischen den Ethnien. Die muslimische Minderheit muss sich selbst verleumden.

Volkszählung unter Polizeischutz. Bild: dpa

BERLIN taz | Erst im letzten Moment hat Birmas Regierung einen Boykott der am Sonntag begonnenen Volkszählung durch die buddhistische Mehrheitsbevölkerung im westlichen Staat Rakhine abwenden können. Doch dies geschah auf Kosten der ohnehin schon diskriminierten muslimischen Minderheit der Rohingya.

Deren Angehörige hatten sich ursprünglich bei der Frage nach ihrer Ethnie entsprechend als Rohingya bezeichnen dürfen. Doch das löste den Zorn radikaler Buddhisten aus. Diese befürchteten, Rohingya würden so einen offiziellen Status bekommen, der ihnen bisher verwehrt wird. Laut Gesetz sind Rohingya in Birma keine Staatsangehörige, auch wenn sie bereits Jahrzehnte im Land leben.

Regierungssprecher Ye Htut erklärte deshalb zur Beruhigung derjenigen Buddhisten, die mit Boykott der insgesamt zwölftägigen Zählung gedroht hatten: „Wenn sich die Bewohner eines Haushalts als Rohingya bezeichnen, werden sie nicht mitgezählt.“ Akzeptiert werde es hingegen, wenn sie sich als „Bengalen“ zählen ließen. Dies lehnen die Rohingya ab, weil es die diskriminierende offizielle Version stützt, laut der sie illegale Einwanderer aus Bangladesch seien.

In der vergangenen Woche waren in Sittwe, der Hauptstadt von Rakhine, die Gebäude von westlichen und UN-Organistionen von Demonstranten mit Steinen angegriffen worden, weil sie sich auch für Rohingya einsetzen. Beim Einsatz der Polizei gegen Demonstranten war ein Mädchen von einem Querschläger getötet worden. Die meisten ausländischen Helfer wurden abgezogen. 2012 war es in Sittwe zu pogromartigen Übergriffe auf Rohingya gekommen. Damals starben bis zu 280 Menschen, mehrere Zehntausend Rohingya leben seitdem in trostlosen Lagern.

Die 74 Millionen Dollar teure Zählung mit jeweils 41 Fragen wird vom UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) mitorganisiert. Laut UN sollte dabei jede Person ihre Ethnie frei angeben können. Doch ist das jetzt durch die Wendung der Regierung nicht mehr möglich. Kritiker werfen UNFPA vor, die von der Zählung ausgehenden ethnischen und religiösen Spannungen vernachlässigt zu haben. Auch seien die ethnischen Gruppen nicht oder zu spät konsultiert worden.

Willkürliche Einteilung der Ethnien

Bei der Zählung der auf 12 Millionen geschätzten Haushalte des südostasiatischen Landes können sich die Bewohner in 135 Ethnien einteilen. Diese basieren auf der letzten Zählung von 1983 und erscheinen vielen Beobachtern willkürlich. So werden manche Ethnien unter unterschiedlichen Regionalbezeichnungen oder gar Clannamen aufgeführt.

Ethnische Spannungen sind im Land verbreitet, weil viele Gruppen die Dominanz der Birmanen ablehnen und eigene bewaffnete Kräfte haben. Einige der aufständischen Gruppen erklärten schon vorab, sie würde keine Zähler in die von ihnen kontrollieren Gebiete lassen. Die meisten Zähler sind Lehrer oder andere Staatsbedienstete.

Weiteren Streit könnten die Ergebnisse bringen. Stellt sich etwa heraus, dass der Anteil der Muslime weit größer ist als die bisher angegebenen 4 Prozent, dürften sich radikale Buddhisten in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen und erst recht Stimmung gegen Muslime machen. Umgekehrt fürchten andere Minderheiten um ihren Einfluss, sollte die Zählung eine geringere Zahl ihrer Ethnie ergeben. Eine Verschiebung der Zählung lehnte die Regierung ab.

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