Inklusion in Schulen: Weit unter den Erwartungen

In vielen Bundesländern herrschen noch rechtliche Vorbehalte gegen den gemeinsamen Schulbesuch behinderter und nichtbehinderter Kinder vor.

Behindert oder nicht behindert – das sollte keine Rolle mehr spielen, wenn Eltern ihre Kinder an einer Schule anmelden Bild: dpa

BERLIN taz | Der Anspruch ist klar: „Jeder Mensch mit Behinderung hat das Recht, mit anderen Menschen zusammen zu lernen.“ So steht es in der UN-Behindertenrechtskonvention in leichter Sprache. Deutschland ratifizierte die Konvention im Jahre 2009.

Fünf Jahre nach Inkrafttreten könne aber keine Rede davon sein, „dass das deutsche Schulrecht die verbindlichen Vorgaben des Rechts auf inklusive Bildung hinreichend oder gar vollständig umsetzt.“ Zu diesem Fazit kommen Wissenschaftler des Instituts für Menschenrechte in einer am Mittwoch publizierten Studie.

Für die Schulgesetzgebung und somit auch für die rechtlichen Rahmenbedingungen des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nichtbehinderter Kinder sind die Länder zuständig. Auf einen gemeinsamen Inklusions-Fahrplan haben sie bewusst verzichtet, jedes Land fährt sein eigenes Tempo. Als sie die Schulgesetze der 16 Länder untersuchten stellten die Juristen Sven Mißling und Oliver Ückert denn auch erhebliche Unterschiede fest.

Lediglich in Hamburg, Bremen und Thüringen steht der individuelle Anspruch der Kinder oder ihrer Eltern im Regelfall eine allgemeinbildende Schule mit gemeinsamem Unterricht zu besuchen tatsächlich im Gesetz. In Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland gilt dagegen unter bestimmten Voraussetzungen sogar noch eine Sonderschulpflicht.

Zudem machen allen Länder außer Hamburg den Rechtsanspruch davon abhängig, ob ausreichend Räume, Personal oder Geld da sind. Falls nicht, kann das Kind also jederzeit wieder auf die Sonderschule verwiesen werden.

Anteil der Förderschüler nicht gesunken

Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention, ist enttäuscht. „Insgesamt bleibt der Umsetzungsstand hinter den Erwartungen, die man an die Implementierung des Menschenrechts auf inklusive Bildung fünf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention stellen darf, zurück.“ Es seien noch erhebliche Anstrengungen erforderlich.

Bundesweit besuchen derzeit rund 355.000 Schüler weiterhin Förderschulen. Der Anteil der Kinder an dieser Schulform ist gemessen an der Gesamtzahl der Schüler seit Jahren nahezu stabil. Im Jahr 2012 lag die Förderschulbesuchsquote laut Kultusministerkonferenz (KMK) bei 4,8 Prozent.

Der Grund dafür ist der insgesamt gestiegene Anteil von Schülern mit sonderpädagogischer Förderung: Während im Jahr 2003 laut KMK die Quote 5,6 Prozent betrug, lag sie im Jahr 2012 bereits 6,6 Prozent. „Die Bemühungen um Inklusion konnten bisher das Ausmaß des „Ausschließens“ kaum mindern“, urteilt der Bildungsforscher Klaus Klemm. (mit dpa)

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