Krise in der Ukraine: Die Zündschnur brennt

Resolutionen und militärische Aufrüstung sollen einen Krieg in der Ukraine verhindern. In Russland stürzen die Aktien ab und die Notenbank-Webseite wird gehackt.

„Stop fascism!“ lautet der Aufruf zum Wählen beim ukrainischen Referendum. Bild: dpa

MOSKAU/LONDON afp/rtr/dpa | US-Außenminister John Kerry ist am Freitag zu Gesprächen über die Krim-Krise in London eingetroffen. Kerry führt zunächst Gespräche mit dem britischen Premier David Cameron. Danach steht ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow auf dem Programm.

Zentrales Thema dürfte das am Sonntag anstehende Referendum auf der Krim über eine Abspaltung von der Ukraine sein. Moskau befürwortet die Volksabstimmung, die auf den Beitritt der Krim zu Russland zielt. Der Westen und die Regierung in Kiew dagegen betrachten die Abstimmung als illegal.

Es ist das vierte Treffen Kerrys und Lawrows zum Konflikt in der Ukraine binnen einer Woche. Kerry hatte vor seinem Abflug aus Washington erneut mit seinem russischen Kollegen telefoniert. Dabei warnte der US-Außenminister, dass Moskau die „Kosten“ tragen müsse, „wenn Russland die Spannungen weiter verschärft“.

Im UN-Sicherheitsrat versuchen die USA derweil eine Vorstoß zur Krim-Krise: Nach dem Willen der USA soll der Sicherheitsrat das für Sonntag geplante Referendum zur Abspaltung der Krim als illegal verurteilen. Mit der Resolution sollten Staaten aufgefordert werden, das Ergebnis nicht anzuerkennen. Diplomaten zufolge werden die USA allerdings an Russland scheitern. Die Vetomacht habe angekündigt, einen Resolutionsentwurf zu blockieren.

Gleichzeitig prüft Washington auch einen Antrag der Ukraine auf militärische Unterstützung. Ein Pentagon-Mitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag, es werde „eine Reihe von Anfragen durchgearbeitet und bewertet“. Zuvor hatte der Anführer der Krim-Tartaren nach einer militärischen Intervention der NATO gerufen, um ein „Massaker“ auf der Halbinsel zu verhindern. Am Freitag sollten die Außenminister der USA und Russland erneut über die Krise beraten.

Im Namen der Menschenrechte gegen Krieg

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat an Russland und die Ukraine appelliert, die europäischen Menschenrechtskonvention einzuhalten. Das von der ukrainischen Regierung am Donnerstag gegen Russland angerufene Gericht in Straßburg reagierte damit vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krise ungewöhnlich schnell.

In dem Appell werden die beiden Konfliktparteien aufgefordert, auf „jegliche Maßnahme“ zu verzichten, die das „Leben oder die Gesundheit der Zivilbevölkerung gefährden“ könne. Das gelte insbesondere für militärische Schritte.

Beide Staaten müssten den Gerichtshof schnellstmöglich darüber unterrichten, wie sie die Menschenrechtskonvention umzusetzen gedächten, heißt es weiter. Moskau und die Ukraine hatten das Dokument in den 1990er Jahren bei ihrem Beitritt zum Europarat unterzeichnet.

Währenddessen hat der russische Präsident Wladimir Putin hat mit seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani über die Lage in der Ukraine gesprochen. Dabei habe Putin deutlich gemacht, dass jegliche Lösung der Krise die Interessen und den Willen der Bevölkerung in allen Regionen des ehemaligen Sowjetrepublik berücksichtigen müsse, teilte das russische Präsidialamt am Freitag mit.

Die Linke verurteilt militärische Drohgebärden auf beiden Seiten

In Deutschland warnt die Linke vor einer „realen Kriegsgefahr“ und fordert Russland auf, von seinem Konfrontationskurs abzurücken. Zugleich verurteilten die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger am Donnerstag die „militärischen Drohgebärden“ der ukrainischen Regierung und der Nato.

„Die Antwort auf das völkerrechtswidrige Vorgehen der Russischen Föderation auf der Krim, welches wir verurteilen, muss in der Diplomatie liegen. Krieg kann keine Probleme lösen und darf kein Mittel der Politik sein“, betonten sie.

Mit ihrer Erklärung distanzierten sich beide Parteivorsitzenden von der stellvertretenden Partei- und Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die erklärt hatte, man müsse das Referendum auf der Krim und die Abspaltung von der Ukraine hinnehmen.

Riexinger und Kipping erklärten, Sicherheit und eine Einigung Europas seien gegen Russland nicht zu erreichen. Doch hätten sowohl der Westen als auch Moskau nie die Logik des Kalten Krieges verlassen. Nicht Recht, sondern Interessen seien Kompass ihrer Politik.

Kritik an faschistischen Kräfte in der ukrainischen Regierung

Nötig sei wirkliche Kooperation. Für die Linke sei die Richtung klar: „Stärkung der OSZE und des Europarates, mittelfristig die Auflösung der NATO und eine Stärkung des Völkerrechts.“

Weiter forderten Kipping und Riexinger die Bundesregierung und die EU auf, „die Beteiligung faschistischer Kräfte an der Regierung in Kiew“ nicht weiter zu tolerieren.

Angesichts der angespannten Lage auf der ukrainischen Halbinsel Krim steigt auch die Nervosität der Anleger. An der Börse in Moskau stürzten die beiden wichtigsten Indizes, der Micex und der RTS, am Freitag bis Mittag (Ortszeit) um jeweils fast fünf Prozent ab. Der Micex stand 4,37 Prozent im Minus, der RTS 4,82 Prozent.

Derweil haben Hacker haben vor der Zins-Sitzung die Internetseite der russischen Notenbank lahmgelegt. Das teilte die Zentralbank am Freitag mit. Derzeit werde daran gearbeitet, das Problem zu lösen. Auch die Homepage des Kreml hat derzeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Präsidialamt sprach von „technischen Problemen“.

Die Notenbanker entscheiden über den weiteren Leitzins für Russland. Experten gehen davon aus, dass der Zinssatz diesmal nicht angetastet wird. Erst vor zwei Wochen hatten die Hüter des Rubel den Leitzins wegen der Ukraine-Krise deutlich erhöht. Mit dem Schritt sollten „Risiken für die Inflation und die Finanzstabilität im Zusammenhang mit den zuletzt erhöhten Schwankungen an den Finanzmärkten“ vorgebeugt werden.

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