Ermittlungen gegen Edathy: In Kategorie 2

Sebastian Edathy soll Bilder von nackten Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren besessen haben. Das ist nicht strafbar – und noch lange nicht okay.

Ein ungutes Gefühl bleibt: Sebastian Edathy. Bild: reuters

Offiziell hatte der SPD-Politiker Sebastian Edathy für seinen Rücktritt vom Bundestagsmandat gesundheitliche Gründe angegeben. Dann sickerte durch, dass wegen des Verdachts der Kinderpornografie gegen ihn ermittelt wird. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre die Bezeichnung „gesundheitliche Gründe“ ganz so falsch wohl nicht. Das ist nur eine Meinung unter vielen.

Der Fall wurde offenbar zunächst durch „Parteifreunde“ (Heise online) publik. Wer solche Freunde hat, braucht keine Parteigenossen mehr. Nun bestätigen „Ermittlerkreise“ (Welt) fleißig dies und das, der NDR und sogar die Nienburger Zeitung Die Harke berichten. Wo da die als Schutz gedachte Unschuldsvermutung bleibt, fragt man sich schon.

Was sind das für „Sicherheitskreise“ (Zeit), die täglich neue Einzelheiten bestätigen? Kreise über Kreise. Ein Computer wurde beschlagnahmt, darauf jede Menge Bilder – auf den meisten dürfte Edathys Hund zu sehen sein. Die übrigen Bilder gehören, so sagen, natürlich, „Ermittlerkreise“, zur sogenannten Kategorie 2.

In der Affäre Edathy werden die Rücktrittsforderungen gegen Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lauter. „Ein Bundesminister, der Dienstgeheimnisse verrät, ist nicht tragbar. Wenn er nicht zurücktritt, muss die Bundeskanzlerin ihn entlassen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der Nachrichtenagentur dpa.

Auch Linksparteichef Bernd Riexinger sagte der Mitteldeutschen Zeitung: „Er ist politisch als Mitglied der Bundesregierung nicht mehr tragbar.“ Die Grünen verlangten Aufklärung im Bundestag.

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, inzwischen Landwirtschaftsminister, und die SPD-Spitze müssen sich gegen Vorwürfe wehren, im Fall Edathy die Arbeit der Ermittler behindert zu haben. Friedrich hatte bereits im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des SPD-Abgeordneten bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei.

Nach jetziger Kenntnis soll es sich möglicherweise um Kinderpornografie gehandelt haben. Gabriel wiederum weihte weitere Spitzengenossen ein, darunter den heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Auf derartigen „Posing-Videos“, deren Besitz in Deutschland nicht strafbar ist, sind nackte Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren zu erkennen, keine sexuellen Handlungen, die Genitalien stehen nicht im Mittelpunkt. Angelesenes Wissen, doch ausnahmsweise kann der Autor nichts für seine mangelhafte Recherche: Bei jedem Versuch, sich durch eigenen Anschauung schlau und damit urteilsfähiger zu machen, schnappt das BKA zu. Dann kann der arme Tropf im Internetcafé arbeiten, bis er Monate später seine von den Ermittlungsbehörden vollgewichste Festplatte zurückerhält. Nein danke.

Die Freiheit, eine Riesendummheit zu begehen

Durch den Fund erhärtet sich für die Staatsanwaltschaft automatisch der Verdacht auf den Besitz von Kinderpornografie der strafbaren Kategorie 1. Ebenso wahrscheinlich wie der Verdacht, in Bangladesch genähte Klamotten zu kaufen, Giraffenfleisch zu essen und in den Fahrstuhl zu pupen. Was nicht strafbar ist. Edathy darf sich allerdings entsprechend fragen lassen, ob nicht vieles, was dem Gesetz nach erlaubt ist, dem gesunden Volks…, nee, das ist Scheiße. Also den gängigen Moral … nee, auch Scheiße … also einfach superscheiße ist?

Wer legt überhaupt diese Kriterien fest? Hooligans der Kategorie A, B und C. Tarifbereich A, B und C. Und warum gilt die Darstellung eines erigierten Glieds ab einem Aufstellwinkel von 45 Grad als Pornografie und im 40-Gradwinkel nur als leichtes Schwanzwedeln? Und was ist Kategorie 3: Fünfzehnjährige in knappen Badehosen, steife Nippel, kahlgeschorene Pudel?

Was ist zum Beispiel mit Neunzehnjährigen, die sich bei einem Gang-Bang filmen lassen? Irgendwo muss man die Altersgrenze festlegen, ab der man einem Menschen die Freiheit zugesteht, eine Riesendummheit zu begehen. Wenn er sie denn überhaupt jemals als eine solche erkennt, und wenn nicht, war es eben subjektiv keine.

Besagte Grenze aber liegt gewiss weit über den genannten acht Jahren. Die betroffenen Kinder wissen nicht, wozu die Aufnahmen genutzt werden. Wüssten sie es, würden sie das nicht wollen, und würden sie das dennoch wollen, hätten sie das ganz einfach nicht zu wollen, wie man ihnen auch nicht nachgibt, wenn sie nach Schnaps oder dem Verzehr dreier Schokoladentorten verlangen.

Doch auch das ist wieder nur eine festzementierte subjektive Meinung, und was die als kategorischer Imperativ wert ist, lässt sich zurzeit an den Äußerungen der Herren Putin oder Matussek ermessen. Deshalb gibt es Regeln. Ein ungutes Gefühl bleibt.

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