Repression in der Ukraine: Gefolterter Aktivist darf ausreisen

Der Oppositionsaktivist Bulatow sollte wegen des Verdachts der „Organisation massiver Unruhen“ in Hausarrest. Nun verkündigt Außenminister Steinmeier: Er daf in die EU.

Dmitro Bulatow war am Donnerstag schwer verletzt in einem Dorf außerhalb Kiews aufgetaucht. Bild: dpa

KIEW afp/dpa | Der ukrainische Regierungsgegner Dmitri Bulatow darf nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ab Sonntag in die EU ausreisen. Das habe ihm der amtierende ukrainische Außenminister Leonid Koschara am Samstag mitgeteilt, sagte Steinmeier am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.

Die sei eine Nachricht, die immerhin einen Teilfortschritt bedeute. Der 35-jährige Bulatow galt eine Woche lang als verschwunden und war nach eigener Aussage tagelang gequält worden. Er war am Donnerstagabend schwer misshandelt aufgefunden worden.

Am Freitagabend hatte das Innenministerium noch mitgeteilt, Bulatow solle unter Hausarrest gestellt werden. Gleichzeitig nahm der Inlandsgeheimdienst SBU Ermittlungen gegen die Oppositionspartei von Julia Timoschenko wegen „versuchter Machtergreifung“ auf – darauf stehen bis zu zehn Jahre Haft. Die verfahrene Lage löste international Sorge aus.

Bulatow war mehr als eine Woche, nachdem ihn seine Frau als vermisst gemeldet hatte, am Donnerstag schwer verletzt in einem Dorf außerhalb Kiews aufgetaucht. Im ukrainischen Fernsehen schilderte er, wie er von Unbekannten verschleppt und gefoltert worden sei. Seine Entführer hätten ihm ein Ohr abgeschnitten, sagte Bulatow, dessen Gesicht und Körper völlig zerschunden waren.

Ashton nach Kiew

Seine Erzählungen haben in der Ukraine und im Westen Empörung ausgelöst. Der Sprecher des Weißen Hauses äußerte sich „entsetzt“. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kündigte für kommende Woche einen erneuten Besuch in Kiew an. Dagegen erklärte das ukrainische Innenministerium am Freitag, es schließe nicht aus, dass Bulatow seine Entführung „inszeniert“ habe.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Sicherheitskonferenz in München. Bild: dpa

Der Inlandsgeheimdienst SBU nahm unterdessen Ermittlungen gegen die Partei der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko auf. Aufgrund von Dokumenten, die bei einer Razzia in der Parteizentrale im Dezember gefunden worden seien, werde nun wegen „versuchter Machtergreifung“ ermittelt, zitierte Interfax den zuständigen SBU-Abteilungsleiter Maxim Lenko.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat den ukrainischen Staatschef Wiktor Janukowitsch aufgefordert, seine Zusagen an die Opposition schnell und in vollem Umfang umzusetzen. „Dann, aber ich fürchte nur dann, gibt es einen Ausweg“, sagte Steinmeier am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Er forderte die Teilnehmer der Konferenz auf, in München ihr gemeinsames Gewicht für eine friedliche Lösung in der Ukraine einzusetzen. Dies müsse schnell gehen: „Wenn am Pulverfass die Lunte schon glimmt, dann ist es hoch gefährlich, auf Zeit zu spielen“, sagte der Minister.

Klitschko bei Münchner Sicherheitskonferenz

Unter den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz sind auch Vertreter der Regierung und der Opposition in der Ukraine, darunter der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko. In dem Land gibt es seit Wochen Massenproteste gegen Janukowitsch und den prorussischen Kurs seiner Staatsführung.

Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko warnte im Fernsehsender Phoenix vor weiterer Gewalt. Der Konflikt sei ein „Gegenstand zwischen Gesellschaft und der Macht“. „Wir brauchen Unterstützung von den Freunden der Ukraine aus dem Ausland“, sagte Klitschko.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte in München, „die Zukunft der Ukraine“ gehöre „nach Europa“. „Heute wissen alle politischen Anführer, dass die Ereignisse in Kiew ein Anliegen von uns allen sind“, führte er aus. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte die Souveränität der Ukraine.

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