Kommentar Obamas NSA-Rede: Blanke Augenwischerei

US-Präsident Barack Obamas Rede zur Reform der Überwachungsprogramme sagt im Kern: Weiter so, denn wir können es.

Lang erwartet, wenig Reform: Der Präsident erläutert im Justizministerium seine Vorhaben Bild: reuters

Das war nichts. So lang die Rede Präsident Barack Obamas erwartet worden war, so kläglich fallen die Reformen aus, die Obama am Freitag verkündete. Obama verwendete einen Großteil seiner Rede darauf, die Notwendigkeit von Spionagetätigkeit und Überwachungsprogrammen historisch herzuleiten und insbesondere die US-Geheimdienste dafür zu loben, wie hervorragend sie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in der Lage gewesen seien, die neuen Herausforderungen zu bewältigen.

Und tatsächlich: Gerade bei den in den USA umstrittensten Teilen der NSA-Überwachung, der umfassenden Sammlung von Telefonmetadaten durch die NSA, begründet Obama vor allem, warum die NSA diese Daten auf jeden Fall benötige. Im Übrigen, so der Präsident, habe er auch bei der Überprüfung gar keinen Missbrauch durch die guten Patrioten der NSA feststellen können.

Sicher, der Schutz der Privatsphäre könne nicht nur auf dem Glauben in die guten Absichten der Geheimdienstmitarbeiter beruhen. Aber es sei so schwierig, da die Balance zu finden. Und so steht die scheinbar klare Aussage Obamas, dass die mit dem nach 9/11 eingeführten Programme in dieser Form nicht weitergeführt würden, in einem seltsamen Kontrast zu Obamas vagen Vorschlägen zur Veränderung.

Immerhin: Befreundete Staatschefs sollen grundsätzlich nicht mehr bespitzelt werden, sagte Obama. Nicht jedoch, ohne sich zuvor über jene Länder lustig zu machen, die über die Snowden-Enthüllungen so schockiert taten, deren eigene Geheimdienste jedoch entweder das Gleiche unternähmen oder unter der Hand von den NSA-Informationen profitierten.

Findet euch damit ab

Es war eine Rede, die nur scheinbar bedacht und besorgt die Gegenpole Datenschutz, Privatsphäre und nationale Sicherheit in die Waagschale warf. Gespickt mit einigen der für Obama so typischen Prinzipiensätze war es doch eine Rede US-amerikanischer Arroganz mit dem Ergebnis: Wir machen das, weil wir das können. Und zwar auch morgen. Findet euch damit ab.

Dass die Reformen so spärlich ausfallen, ist kein Wunder. Der Druck, den Obama nach den Snowden-Enthüllungen aus dem In- und Ausland bekommen hat, ist nichts im Vergleich zu dem Druck, den der Sicherheitsapparat selbst entfalten kann. Und die Erfahrung des Anschlags auf das US-Konsulat im libyschen Benghasi am 11. September 2012 und den innenpolitischen Umgang damit hat erneut gezeigt, dass eine irgendwie verschnupfte Angela Merkel und ein wütender rechtslibertärer Rand Paul wesentlich leichter politisch auszuhalten sind als die öffentliche Reaktion auf einen möglichen Anschlag.

Unabhängig davon, ob die Überwachungsprogramme tatsächlich in dem Maße zur Verhinderung von Terroranschlägen taugen, wie die Dienste das behaupten: Wenn eine Regierung hier wirklich Einschnitte verkünden würde, wäre sie politisch am Ende, falls doch etwas passiert.

Mit Ausnahme des Vorfalls von Benghasi hat es Obama während seiner gesamten Amtszeit geschafft, den oppositionellen Republikanern in keinem Moment die Möglichkeit zum Anklagepunkt „schwach in Sicherheitsfragen“ zu bieten, die traditionell schwache Flanke demokratischer Präsidenten. Das zählt viel mehr als die Ängste von ein paar Bürgerrechtlern, Libertären oder Europäern.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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