Britischer „Independent“ zu haben: Ende der Unabhängigkeit?

Der „Independent“ soll zum Verkauf stehen. Aber ist die Zeitung, deren Auflage von einst 400.000 auf weniger als 43.000 gesunken ist, noch zu retten?

Mit dieser Titelseite protestierte der „Independent“ im März 2013 gegen die geplante neue Presseregulierung in Großbritannien. Bild: ap

Die liberale britische Tageszeitung Independent ist kaum noch zu retten. Zwar sind die Verluste in den vergangenen drei Jahren von 20 Millionen Pfund auf knapp neun Millionen Pfund gesenkt worden, aber die verkaufte Auflage fiel auf 43.000 Exemplare. Die Sonntagsausgabe steht mit 47.000 Exemplaren kaum besser da. Das bedeutet, dass jeder der 41.000 britischen Zeitungshändler täglich kaum mehr als ein Exemplar los wird. Und jede Woche werden es weniger.

Der russische Verleger Alexander Lebedew, der das Blatt 2010 für einen Pfund erworben hatte, sucht deshalb seit Monaten vergeblich einen Käufer, berichtet der Guardian. So steht die Printausgabe vor dem Aus. Lebedew wollte sich am Freitag zu den kolportierten Verkaufsabsichten nicht äußern.

Dabei hatte man so große Ambitionen, als 1986 einige Tageszeitungs-Journalisten darangingen, ein neues Blatt zu gründen: Der Independent sollte sich als unabhängige Zeitung links von der Mitte auf dem britischen Markt etablieren. Zunächst gelang das sogar, 1990 wurden 414.000 Exemplare täglich verkauft.

Seitdem ging es jedoch bergab. Ein großer Fehler war die Einführung einer Sonntagsausgabe, die die Reserven des Independent verschlang. Hinzu kamen die Rezession und der Preiskrieg mit Rupert Murdoch, der seine Times über Jahre hinweg zum Dumpingpreis verschleuderte.

Klotz am Bein

Zwar überlebte der Independent den Preiskrieg, aber auf Kosten seiner Unabhängigkeit: 46 Prozent der Anteile mussten an die Mirror-Gruppe abgegeben werden, weitere 46 Prozent an den irischen Großverleger und Multimillionär Tony O'Reilly. Der übernahm 1996 die Anteile des Mirror, weil ihm Prestige wichtiger war als Geld. Nach lang anhaltenden Querelen im Aufsichtsrat über die Zukunft des Blattes hatte er jedoch die Nase voll und verkaufte das Blatt 2010 zu einem symbolischen Preis an Lebedew. Dem gelang es zwar, die Verluste zu senken, aber an Profitabilität ist nicht zu denken.

Lediglich die verschlankte Independent-Tochter i verkauft täglich 300.000 Exemplare zum Preis von 20 Pence pro Stück, und auch die Independent-Webseite ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden. So hofft Lebedew, wenigstens dafür einen Käufer zu finden. Bei den Buchmachern Paddy Power gilt der Eigentümer des Daily Express, Richard Desmond, als Favorit für die Übernahme.

Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht, dass sich irgendein britischer Zeitungsverleger diesen Klotz ans Bein bindet, zumal i ja keine eigenständige Zeitung ist, sondern die Artikel von den Independent-Journalisten übernimmt. Andere Blätter wie Guardian oder Times haben von Mini-Ausgaben ihrer Blätter Abstand genommen, weil sie offensichtlich zu Recht befürchten, dass das die Auflage der regulären Ausgabe beeinträchtigen würde.

Lebedew, dessen Geschäfte in Russland seit Jahren schrumpfen, hat vor kurzem den Independent-Gründer Andrew Whittam Smith zum Aufsichtsratvorsitzenden gemacht, während sein Sohn Evgeny Lebedew aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist. Whittam-Smiths einzige Aufgabe soll es sein, einen Käufer zu suchen.

Für die Zukunft der Journalisten beim Independent sieht es düster aus. Ihren Humor haben sie aber nicht verloren. Auf der Independent-Webseite fordern sie die Leser auf, einem Wohltätigkeitsprojekt für Elefanten in Kenia auf Twitter zu folgen. Der größte Elefant habe „sehr lange Zähne“, er sei „nicht aggressiv und verbringt seine Zeit gerne mit sieben anderen Elefantenbullen“. Sein Name ist Evgeny.

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