Kommentar Untergang „Costa Concordia“: Wir haben den Schuldigen

Der Untergang der „Costa Concordia“ zeigt, auf welch bizarre Weise im Kreuzfahrt-Business Geld gemacht wird. Doch jetzt interessiert nur noch der hasenfüßige Kapitän.

Die geborgene Costa Concordia in Hafen von Giglio, wo sie vor zwei Jahren sank. Bild: reuters

Akkurat zwei Jahre sind seit dem Untergang der „Costa Concordia“ vergangen. Seit jener Tragödie vor der toskanischen Isola del Giglio, die weltweite Aufmerksamkeit erregte – wegen der 32 Menschenleben, die sie kostete und auch wegen ihrer allzu offensichtlichen Absurdität.

Zur Symbolfigur des Desasters wurde zurecht Capitan Francesco Schettino, der sonnenbankgebräunte Gernegroß mit dem gegelten Haar, der erst mit unglaublichem Leichtsinn das Riesenschiff auf einen Felsen steuerte, sich dann als hasenfüßiger Jammerlappen entpuppte, flugs von Bord ging und die Passagiere ihrem Schicksal überließ.

Unmittelbar nach dem Unglück richteten sich die Scheinwerfer der Öffentlichkeit nicht bloß auf Schettino, sondern auch auf die Umstände, die ihm sein fahrlässiges Handeln überhaupt ermöglicht hatten, ebenso wie auf das bizarre Geschäftsmodell der Mega-Kreuzfahrtschiffe.

Da wäre zunächst die unselige Praxis der „Verneigung“, die es Schiffen von 300 Meter Länge erlaubte, mit nur wenigen hundert Meter Abstand die spektakulärsten Orte der italienischen Küste zu passieren, egal ob Giglio, Capri, Sorrent oder Venedig.

Desinteresse der Kunden

Diese Praxis wurde umgehend verboten – und das ist bisher wohl die wichtigste Lehre, die aus dem Untergang der „Costa Concordia“ gezogen wurde. Auch die Durchfahrt der Kreuzfahrtriesen quer durch Venedig wird ab November 2014 ein Ende haben.

Schnell dagegen schwand das Interesse an der Frage, wie Costa und ihre Konkurrenten ihr Geld im Kreuzfahrt-Business verdienen. Die Kunden buchten im Jahr 2013 wieder so fröhlich wie im Jahr unmittelbar vor dem Unglück. Ihr Interesse an Veränderung ist anscheinend ebenso bescheiden wie das der Justiz: Mit der Zahlung einer Geldbuße von einer Millionen Euro schied Costa aus dem Strafverfahren aus, in dem Schettino als nunmehr einziger Angeklagter übriggeblieben ist.

Dabei hätten diese Umstände durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient: die Tatsache zum Beispiel, dass da Tausende Menschen angeblich „sicher“ auf einem Schiff zusammengepfercht werden, dass ihr Schicksal zugleich schlecht bezahlten, international zusammengewürfelten Besatzungen anvertraut ist, deren Mitglieder oft genug Schwierigkeiten haben, sich mit den Passagieren zu verständigen – und die im Fall der Concordia ganz so wie ihr Käpt’n zu einem guten Teil nur daran dachten, die eigene Haut zu retten.

Mit „bloß“ 32 Toten auf mehr als 4.200 Personen an Bord fiel das Unglück nur aus einem Grund relativ glimpflich aus: Das Schiff kenterte direkt vor dem Hafen von Giglio. Was eigentlich geschehen würde, wenn auf hoher See ein Brand ausbricht? Kaum jemand stellt diese Frage. Mit Schettino, dem durchgeknallten Kapitän, hat man ja den Schuldigen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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