Kolumne Press-Schlag: Die arme Raupe Nimmersatt

Klub-WM-Sieger FC Bayern München ist der beste Verein der Welt. Nur gegen den FC Bayern München wird er den Rausch des Sieges nie erleben. Das ist bitter.

Grinse-Bayern nach dem Gewinn der Klub-WM. Bild: dpa

Über dem Schwabenland lag am Wochenende eine wundervolle vorweihnachtliche Fußballruhe. Die Drittliga-Kickers spielen weit in der Fremde, die Zweite des VfB hatte ihr Heimspiel gegen Dortmund II schon am Mittwoch erledigt. Und die Bundesligaspieler des VfB durften fleißig kehrwöchnern und für die Kleinsten die neuen Lego-Bausätze Stuttgart 21 mit vielen schönen Baggern, Plastikpolizisten und Demonstranten kaufen.

Der Dank geht an den großen FC Bayern. Die Allturnierstars waren afrikanisch unterwegs und mussten ihr Spiel beim VfB sausen lassen. Flott holten sie den nächsten Pott, kamen aber mit dem Zählen nicht mehr mit. Fünf Titel, wie sagt man dazu?

Die Branchen-Zählweise geht nur bis Triple. Karl-Heinz Rummenigge, der Humorist aus Lippstadt, regte begrifflich das Quintle an. Penta (schwäbisch Pentale?) klingt zu altgriechisch, Quintuple zu akademisch. Bei sechs Titeln wäre auch Rummenigge im Biersport Fußball auf Sixpack gekommen, aber den potenziell 6. Titel (deutscher Supercup) hatten sie zu Saisonbeginn versehentlich beim BVB liegen lassen.

Fünflingssieger! Die Fußballwelt gratuliert artig. Dabei wäre Mitleid angemessener. Denn eines werden sie in München nie erleben dürfen: das süße Triumphgefühl, die orgiastische Ekstase eines Sieges über den FC Bayern. Das ist die große Münchner Tragik. Und bitte, Siege gegen den FC Bayern, das sei den Jüngeren versichert: So was gab es früher tatsächlich mal. Nie werden sie glücksberauscht sein können wie der frühe MSV Duisburg, der vor gut 40 Jahren den FC Bayern reihenweise aus dem Wedaustadion schoss und ihnen einmal am letzten Spieltag die Meisterschaft versaute (1971).

Roter Kopf auf dem Tivoli

Das popelige Bayer Uerdingen zerlegte 1976 Beckenbauer, Müller und Co. als Aufsteiger, 1985 kam der 1:0-Sieg durch Winklhofers 35-Meter-Schuss-Eigentor und der Sieg im Pokalfinale. Oder damals im Pokal die SpVgg Vestenbergsgreuth. Oder Kaiserslauterns 7:4. Oder in den nuller Jahren, als das kleine Aachen durch drei Triumphe in Folge zum Rekordpokalsiegerrekordbesieger wurde – und Uli Hoeneß den alten Tivoli stets glutroten Kopfes verließ.

Nie adrenalinprall gegen den FC Bayern triumphieren können – ein bemitleidenswertes Schicksal. Das kalte 2:0 gegen die überforderten grünen Zwergadler aus Casablanca mag ihnen ein feiernswerter Trost sein. Aber selbst größere Siege gegen den FC Barcelona oder Chelsea sind nur kalkulierte Ersatzbefriedigung. Dabei üben sie schon an einer kleinen Erlösung aus dem Dilemma. ARD-Kommentator Steffen Simon erklärte am Samstag allen Ernstes: „Mitunter verlieren sie den Ball bewusst, um ihn sich schnell wiederzuholen.“

Absichtlich Fehler machen! Großartig. Ja, das seien „neue taktische Varianten von Pep Guardiola“. Der Messias auf der Trainerbank organisiert also schon das Spiel gegen sich selbst und mit sich selbst. Das ist allerdings, als würde man sich selbst mit einem Weihnachtsgeschenk überraschen.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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